Wie ist die Grammatikentwicklung bei Kindern?

Eigentlich ist die Grammatikentwicklung von Kindern ein echtes Wunder: Denn wie schafft es ein Kind, komplizierte Satzkonstruktionen zu verstehen und zu sprechen? Wie merkt es sich, wie Verben gebeugt werden?

Vermutlich ist uns Menschen ein universales Verständnis für Grammatik angeboren. Für diese Theorie spricht auch, dass Kinder in der Grammatikentwicklung typische Phasen durchlaufen, die aufeinander aufbauen.

Welche Phasen der Grammatikentwicklung es gibt und in welchem Alter Kinder bestimmte grammatische Fähigkeiten entwickeln, erfährst du in diesem Artikel.

Inhalt des Artikels

Mit 24 Monaten: Der Beginn der Grammatik

Zwischen 18 und 24 Monaten beginnt bei den meisten Kindern die Phase der Zweiwortsätze: „Mama da“ oder „auch Eis“. Interessant finde ich, dass diese Phase in allen Sprachen der Welt gleich ist, das heißt, ein Kind verwendet in dieser Phase noch keine muttersprachliche Grammatik.

Ausgelöst wird die Zweiwortphase, wenn genügend Wörter im aktiven Wortschatz vorhanden sind (das ist der Wortschatz, den ein Kind sprechen kann), meist sind das ca. 50 Wörter. Deshalb wird oft von der magischen 50-Wörter-Grenze gesprochen, die neben der Grammatikentwicklung auch ein schnelles Wortschatzwachstum auslöst. 

Kinder, die mit 24 Monaten noch keine 50 Wörter sprechen und keine Zweiwortsätze bilden, werden Late Talker genannt. Sie haben ein erhöhtes Risiko, mit 3 Jahren eine Sprachentwicklungsstörung zu entwickeln, deshalb ist es sinnvoll, die Sprachentwicklung in diesem Alter besonders  gut zu beobachten.

In dieser Phase werden Verben noch selten verwendet. Wenn Kinder ein Verb verwenden, steht es ungebeugt am Satzende: „Eis haben“. 

Das können Kinder mit 18 Monaten sprechen.
90% aller Kinder sprechen mit 24 Monaten mindestens Zweiwortsätze (Sachse et al. 2020, S. 29).

Mit 2 1/2 Jahren: Mehrwortsätze und erste Pluralbildung

In diesem Alter entwickelt sich neben dem Wortschatz und der Aussprache ebenso rasant die Grammatik: 

  • Plural: Kinder beginnen, erste Mehrzahlformen zu bilden, die aber oft noch nicht korrekt sind, wie „Balls“ für Bälle oder „Toffels“ für Kartoffeln.
  • Genitiv: Um deutlich zu machen, dass jemandem etwas gehört, beginnen Kinder, den Genitiv zu verwenden: „Tims Ball“ oder „Mamas Auto“.
  • Satzlänge: Die Sätze werden länger: Von Zweiwortsätzen auf Drei- bis Vierwortsätze: „Leni auch Eis essen“. 
Sprachentwicklung mit 2 Jahren
Das Verb ist bei Zweijährigen oft noch am Satzende. Erste Mehrzahlformen können gebildet werden.

Mit 3 Jahren: Richtige Verbstellung und typische Fehler

Mit 2 ½ bis 3 Jahren beginnen Kinder, das Verb an die richtige Stelle im Satz zu setzen. Im Deutschen ist das in Hauptsätzen die zweite Stelle: „Ich esse ein Eis.“ Deshalb wird dieser Meilenstein der Sprachentwicklung „Verbzweitstellung“ genannt. 

Auch das Verb selbst wird immer öfter richtig gebeugt. Im Deutschen benutzen wir meistens die Perfekt-Zeitform (vor allem in mündlicher Sprache), wenn wir über etwas Vergangenes reden:

Die Perfektform hat es in sich: Das Hilfsverb „haben“ kommt an die zweite Stelle im Satz, die Perfektform von „essen“ an die letzte Stelle.

Ganz typisch ist, dass Kinder in diesem Alter „geest“ und „angezieht“ sagen. Im Vergleich zur Erwachsenensprache wirkt dies wie ein Fehler. Tatsächlich zeigen diese vermeintlichen Fehler, dass ein Kind die Perfektregel verstanden hat:

Was kann ein Kind mit drei Jahren sprechen?
Genial, wie das kindliche Gehirn kombiniert, Theorien aufstellt und sie überprüft, oder?

 

Die unregelmässige Perfektform wie „gezogen“ oder „getrunken“ lernen Kinder für die verschiedenen Verben erst nach und nach. Das dauert oft bis ins Grundschulalter hinein.

Mit 4 Jahren: Nebensätze und Akkusativ

  • Nebensätze: Ab 3 Jahren beginnen Kinder, unterschiedliche Nebensätze zu bilden, zum Beispiel Relativsätze: „Das ist der Hund, der gebellt hat.“
  • Akkusativ: Dreijährige Kinder sagen typischerweise noch: „Ich gehe in der Kindergarten.“  Im Laufe des vierten Lebensjahres lernen die meisten Kinder, den Akkusativ zu verwenden und sagen dann: „Ich gehe in den Kindergarten.“
Mit vier Jahren können viele Kinder den Akkusativ bilden. Mit drei Jahren hätte dieses Kind vermutlich noch gesagt: "Ich kann der Buggy schon schieben."

Mit 5 Jahren und älter: Dativ, Passivsätze

Die Bildung des Dativs („Ich gebe dem Hund das Futter.“) dauert bei vielen Kindern bis in die Grundschulzeit hinein, genauso wie das Verstehen und Sprechen schwieriger Satzkonstruktionen, zum Beispiel von Passivsätzen: „Die Katze wird vom Hund gejagt.“

Die Grammatikentwicklung ist also auch mit 5 Jahren noch nicht abgeschlossen und auch wir Erwachsenen sprechen in der Alltagssprache nicht immer grammatisch korrekt. 

Hast du Fragen zur Grammatikentwicklung? Dann stell‘ sie mir gerne hier in den Kommentaren.

Liebe Grüße, Wiebke

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Wiebke Schomaker Logopädin

Hallo, hier schreibt Wiebke!

Als Logopädin zeige ich Eltern, wie sie die Sprachentwicklung ihres Kindes spielerisch und kompetent unterstützen können.

Auf meinem Blog findest du logopädisches Fachwissen in verständlicher Sprache, motivierende Spielideen zur Sprachförderung und auch ein paar persönliche Artikel.

Viel Spaß beim Lesen! 🤩

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