gute nacht geschichte erfinden

Wie du ganz leicht eine Gute-Nacht-Geschichte erfindest – Anleitung in 5 Schritten für müde Eltern

Gute Nacht-Geschichten sind eine meiner liebsten Kindheitserinnerungen: Mein Bruder und ich kuscheln uns im Schlafanzug unter einer Wolldecke aufs Sofa, während meine Mutter uns eine Geschichte erzählt. 

Heute, inzwischen selbst Mutter von drei Kindern, bewundere ich, wie meine Mutter es geschafft hat, sich nach einem anstrengenden Tag auch noch eine Geschichte auszudenken! Abends bin ich oft so müde, dass ich kaum noch gerade Sätze formulieren kann, geschweige denn eigene Geschichten erfinden will.

Dabei hat das Erzählen einer selbsterfundenen Gute-Nacht-Geschichte viele Vorteile:

  • Du kannst die Geschichte im Dunkeln erzählen, so dass dein Kind müder wird als bei der hellen Vorleselampe.

  • Du kannst die Geschichte an das Sprachverständnis und das Interesse deines Kindes anpassen. Dadurch förderst du die Sprache passgenauer als beim Vorlesen.

  • Du kannst die Geschichte gemeinsam mit deinem Kind erfinden, so dass dein Kind ganz nebenbei eine Idee von Erzähltechniken wie Spannungsbögen und unerwarteten Wendungen bekommt.

  • Die meisten Kinder lieben selbsterfundene Geschichten – auch, weil sie dadurch eine Riesenportion Wertschätzung bekommen („Diese Geschichte hat Papa nur für mich erfunden!“). Wer schläft nicht gerne mit dem Gefühl ein, besonders geliebt und wertgeschätzt zu werden?

Ja, auch unsere Kinder lieben erzählte Gute-Nacht-Geschichten. Also gibt es bei uns vor dem Schlafengehen abwechselnd mit Vorlesebüchern oft auch eine selbsterfundene Geschichte. Damit unser müdes Eltern-Hirn abends nicht überlastet wird, hat sich bei uns ein einfaches System für das Erfinden von Geschichtenserien entwickelt. Es funktioniert für Kinder, die noch wenig sprechen genauso wie für sprachgewandte Grundschulkinder.

Hier ist dieses System, aufgeteilt als möglichst einfache Anleitung in 5 Schritten. Das Gute ist: Die Schritte 1-3 musst du dir nur einmalig überlegen. Für jede neue Folge eurer Geschichtenserie benötigst du nur noch die Schritte 4 und 5.

Kinder lieben Serien-Helden! Ob Conni oder die Paw Patrol – die wiederkehrenden Hauptfiguren sind wichtig, damit sich Kinder in ihnen wiedererkennen können und das Gefühl haben, die Helden der Geschichten als Freunde zu kennen.

Überlege dir auch für eure Geschichten eine Hauptfigur (oder zwei), die in jeder Geschichte wiederkommt. Viele Kinder mögen Helden mit Superkräften. Oder Helden, die ihnen selbst ähneln. Unser jüngster Sohn hört gerade am liebsten Geschichten über einen Jungen (der so heißt wie unser Sohn), der als besten Freund einen großen Bären namens Bruno hat.

2. Schritt: Überlege dir einen wiederkehrenden Anfang!

Beginne jede Geschichte mit den gleichen Worten. Dieses wiederkehrende Element macht die Geschichte zu einem Ritual für euch. Und du musst nicht mehr jeden Abend neu überlegen, wie du die Geschichte beginnst.

Beispiel: Eure Geschichten handeln immer von dem fünfjährigen Jungen Pepe und seinem Hund Tapsi? Dann lass die Geschichte jeden Abend so beginnen: „Es war einmal ein Junge, der hieß Pepe. Pepe war fünf Jahre alt, hatte blonde Haare, aß am liebsten Spinat und am allerliebsten spielte er mit seinem Hund Tapsi. Eines Tages…“ .

3. Schritt: Überlege dir einen wiederkehrenden Schluss!

Als Gute-Nacht-Geschichte bietet es sich an, dass die Helden der Geschichte müde werden und sich ins warme und weiche Bett kuscheln. Für dein Kind ist klar, dass die Geschichte vorbei ist und du weißt auch, wie du die Geschichte beenden kannst.

4. Schritt: Frage dein Kind, wen die Hauptfigur treffen soll!

Direkt, bevor du mit dem Erzählen startest, brauchst du noch eine Idee, was in der heutigen Folge eurer Geschichte passieren soll. Bevor du selbst ins Grübeln kommst, frag einfach dein Kind! Überlegt, welches Tier, Fahrzeug oder Fantasiewesen in der aktuellen Geschichtenfolge auftauchen soll. 

Auch wenn dein Kind noch sehr wenig spricht, kannst du es mitentscheiden lassen, indem du fragst: „Welches Tier soll in der Geschichte vorkommen? Eine Kuh? Oder ein Dinosaurier?“ Oder du kannst eine Entscheidungsfrage stellen: „Soll Pepe einen Bären treffen oder einen Bagger fahren?“

5. Schritt: Überlege dir, was die Hauptfigur zusammen mit den Nebenfiguren erlebt!

Jetzt fehlt nur noch das Ereignis, um das sich die aktuelle Geschichte drehen soll. Was erlebt die Hauptfigur heute?

Mein Tipp für müde Eltern:

Erzähle den ersten Gedanken, der dir zu den Ideen deines Kindes aus Schritt 4 in den Sinn gekommen ist. Ohne Wertung. Die Geschichte darf verrückt sein!

Beispiel: Dein Kind will, dass ein Feuerwehrauto und ein Hai in der Geschichte vorkommen? Wunderbar, dann könntest du erzählen, dass plötzlich ein Hai im Gartenteich hinter dem Haus schwimmt und Pepe die Feuerwehr ruft, damit sie den Hai herausfischen und ins Meer bringen. Pepe und Tapsi dürfen sogar im Feuerwehrauto mitfahren. 

Am nächsten Abend sollen ein Einhorn und eine Ballerina in der Geschichte vorkommen? Okay, nichts leichter als das: Erzähle, dass eines Tages ein Einhorn im Kindergarten auftaucht, welches Pepe und Tapsi wieder zu seiner Besitzerin, einer berühmten Ballerina, zurückbringen. Ganz einfach, oder? 😉

Du kannst dir das Erfinden einer Geschichte vorstellen wie einen Pfad, bei dem du die Trittsteine schon bereitgelegt hast. Jetzt brauchst du nur doch die kleinen Zwischenräume um die Trittsteine herum zu füllen, um eure Geschichte lebendig werden zu lassen.

Hier siehst du noch mal eine Übersicht über alle 5 Schritte:

Tipps zum Erzählen der Gute-Nacht-Geschichte:

Falls du daran zweifelst, ob bei euch auf diesem Weg eine gute Geschichte entsteht: Hänge deine Messlatte nicht zu hoch. Die Geschichten können einfach sein. Du brauchst keine witzige Pointe und keinen ausgeklügelten Spannungsbogen. Dein Kind wird eure Geschichtenserie trotzdem toll finden, da bin ich mir sicher!

Wichtig ist lediglich, dass du deine Wortwahl, das Erzähltempo und die Satzlänge an die Sprachfähigkeiten deines Kindes anpasst:

Ein- oder zweijährige Kinder mit kleinerem Sprachverständnis brauchen eine kurze Geschichte mit vielen vertrauten Wörtern, kurzen Sätzen und langsamem Sprechtempo. Vielleicht reichen anfangs schon 2-3 Minuten aus und auch die Geschichte kann immer wieder gleich oder ähnlich erzählt werden.

Late Talker, die auch mit 2 Jahren noch wenig sprechen, haben trotzdem oft ein gutes Sprachverständnis. Passe die Geschichte nicht an den aktiven Wortschatz deines Kindes an, sondern daran, was er versteht. Dass die Länge und Schwierigkeit der Geschichte passt, merkst du, wenn dein Kind gerne und konzentriert zuhört.

Wenn dein Kind im Vorschul- oder Grundschulalter ist, wird es wahrscheinlich eine Geschichte mit viel Spannung und brenzligen Situationen lieben. Vielleicht bekommt dein Kind auch Spaß daran, die Geschichte in Teilen weiterzuerzählen oder zu bestimmen, was als nächstes passieren soll. Für Kinder in diesem Alter ist das Wichtigste am Geschichtenerzählen das Gefühl der Geborgenheit und des vertrauten Rituals.

Je öfter du erzählst, desto vertrauter wird euch beiden diese Art des Geschichtenerfindens.

Ich wünsche euch viel Spaß mit euren einzigartigen Geschichten (und anschließend sanfte Träume).

Weitere Ideen zur Sprachförderung findest du hier:

Nach oben scrollen