Schnuller und Sprachentwicklung

Wie schädlich ist der Schnuller für die Sprachentwicklung?

Mein Kind ist 3,5 Jahre alt und braucht noch nachts und manchmal tagsüber einen Schnuller. Sie lispelt und kann das SCH noch nicht sprechen. Kann das vom Schnuller kommen?“ 

Vielleicht stellst du dir diese Frage auch. Denn dass der Schnuller spätestens im dritten Lebensjahr abgewöhnt werden sollte, ist in vielen Ratgebern und Elternzeitschriften zu lesen. Eines der Argumente: Der Schnuller wirke sich schlecht auf die Sprachentwicklung aus.

Aber stimmt das? Wie genau wirkt ein Schnuller auf Mund, Zunge, Zähne und Kiefer? Und kannst du vermeiden, dass ein Schnuller die Sprachentwicklung beeinflusst? Meine 5 Tipps dafür findest du am Ende des Artikels.

Das Saugen an Brust oder Flasche dient Babys nicht nur der Ernährung. Zusätzlich zur Nahrungsaufnahme reguliert das Saugen die überwältigenden Gefühle und Empfindungen, die täglich auf ein Kind einströmen. Deshalb ist allem für Babys, die hauptsächlich oder ausschließlich mit der Flasche ernährt werden, ein Schnuller wichtig, um das non-nutritive Saugbedürfnis zu befriedigen.

Aber auch für viele Mütter, die stillen, kann der Schnuller besonders in Dauernuckelphasen eine echte Rettung sein – und eine Alternative, damit auch andere Bezugspersonen das Baby beruhigen können. 

Für Kleinkinder bleibt ihr Schnuller oft noch lange ein wichtiger Teil der Gefühlsregulation – und ist deshalb auch so schwer abzugewöhnen.

Manchmal ist ein anderer Grund dafür verantwortlich, dass Schnuller oder Daumen für Kinder besonders wichtig sind: das Zungenband. Wenn es zu kurz ist, kann die Zunge nicht mehr ihre natürliche Lage oben am Gaumen einnehmen. Die sogenannte Zungenruhelage am Gaumen hat unter anderem eine beruhigende Wirkung (da der Parasympaticus dort aktiviert werden kann). 

Kindern mit zu kurzem Zungenband nutzen deshalb das Saugen am Schnuller oder Daumen, da diese statt der Zunge den Gaumen berühren und dadurch beruhigend wirken.

Hier erfährst du mehr zum verkürzten Zungenband

Welche Folgen kann der Schnuller für die Sprachentwicklung haben?

Wie eben beschrieben befindet sich die Zunge außer beim Essen, Trinken oder Sprechen leicht angesaugt oben am Gaumen – normalerweise.

Wenn sich aber ein Schnuller im Mund befindet, verschiebt sich die Zungenlage, da der Schnuller die Zunge im Mund nach unten drückt.

Wie kann ich nachts den Schnuller abgewöhnen?
Der Schnuller im Mund beeinflusst die Lage der Zunge und die Mundhaltung

In der folgenden Zeichnung vom Mundraum wird sichtbar, wie der Schnuller die Zunge nach unten drückt und wieviel Platz er im Mund eines Kindes einnimmt:

Die Zunge wird durch den Schnuller nach unten gedrückt.

Bei Kindern, die viel und lange einen Schnuller nutzen, kann sich diese veränderte Zungenruhelage auf das Wachstum des Kiefers, der Zähne, auf die Atmung und das Sprechen auswirken.

Diese Verkettung negativer Folgen entwickelt sich natürlich nicht bei jedem Kind mit Schnuller. Es kommt auf die Dauer des Schnullergebrauchs an (und ein bisschen auch auf die Veranlagung).

Auswirkungen auf den Kiefer und die Zähne

In den ersten Lebensjahren sind der Kiefer und der Gaumen noch sehr weich. Allmählich formt die Zunge den Kiefer und Gaumen zu einer flachen und breiten U-Form. Wenn aber die Zunge unten im Mund liegt, kann sie ihre formende Wirkung oben am Gaumen nicht ausüben. 

Die Folgen: Der Gaumen wächst hoch und schmal (ein sogenannter „Gotischer Gaumen“). Dadurch ist im Kiefer zu wenig Platz für die bleibenden Zähne – Zahnfehlstellungen entstehen.

Auswirkungen von Mundatmung auf den Gaumen
Foto: Citypraxis Wien

Auswirkungen auf die Atmung

Wenn sich ein Schnuller im Mund befindet, können die Lippen nicht mehr vollständig geschlossen werden. Dadurch kann sich ein Kind – auch ohne Schnuller im Mund – eine offene Mundhaltung und Mundatmung angewöhnen. Die Mundatmung wiederum kann sich ungünstig auf die Sprachentwicklung auswirken:

Auswirkungen auf das Sprechen

Eine Zungenruhelage unten im Mund (statt oben am Gaumen) kann bewirken, dass sich die Muskeln rund um Zunge und Mund nicht mehr in Balance befinden. Die feinen Bewegungen zum Beispiel für den S-Laut werden schwieriger und so können eine verwaschene Aussprache und/oder ein Lispeln entstehen.

Außerdem begünstigt häufige Mundatmung Mittelohrentzündungen und Paukenergüsse im Ohr. Dadurch können Unterschiede zwischen Lauten weniger gut gehört werden. Geschieht dies in einer sensiblen Phase der Sprachentwicklung, kann eine Verzögerung in der Entwicklung der Aussprache entstehen.

In meinem Artikel über Mundatmung bei Kindern erkläre ich genauer, wie sich dieser Kreislauf entwickeln kann.

Wie schon gesagt: Diese Folgen entstehen nicht bei jedem Kind, das einen Schnuller oder den Daumen nutzt! Aber es können mögliche Auswirkungen sein, vor allem, wenn sich ein Schnuller bzw. Daumen über mehrere Jahre und über mehrere Stunden am Tag und nachts im Mund befindet.

Meine 5 Tipps: Wie du vermeiden kannst, dass sich ein Schnuller negativ auswirkt

Tipp 1: Biete deinem Kind viel kauaktive Nahrung an, zum Beispiel härteres Brot oder rohes Gemüse. Auch Baby-Led Weaning ist ideal für eine optimale Entwicklung der Mundwahrnehmung.

Tipp 2: Auf die Dauer kommt es an: Wenn dein Kind den Schnuller nur noch zum Einschlafen und selten mal am Tag braucht, wirkt sich der Schnuller kaum auf Zähne und Kiefer aus. Dazu ist es wichtig, den Schnuller nach dem Einschlafen aus dem Mund zu ziehen und den Mund dann sanft zu schließen, so dass dein Kind nachts durch die Nase atmen kann.

Tipp 3: Einige Babys und Kleinkinder akzeptieren als Ersatz für den Schnuller zumindest zeitweise Beissringe oder andere Gegenstände, die sie mit dem Mund erkunden können. Für ältere Kinder gibt es zum Beispiel bei Logicana Kauhalsketten – auch Kauen und Beißen dient der Gefühlsregulation und fördert dabei die Mundwahrnehmung.

Tipp 4: Mit Kindern ab etwa zwei bis drei Jahren kannst du gemeinsam überlegen: Wann braucht dein Kind den Schnuller unbedingt? Wann könnte es auf den Schnuller verzichten? Vereinbart einen festen Schnuller-Schlafplatz, zum Beispiel im Bett oder in einem Schnullerbeutel.

Tipp 5: Überlege, wie du deinem Kind helfen kannst, seine Gefühle ohne Schnuller zu regulieren. Ein Schnuller gibt nicht nur Kindern Sicherheit, sondern auch den Eltern, weil er so zuverlässig beruhigt. Aber auch Kuscheln, Toben oder über Gefühle sprechen (zum Beispiel mit einer Gefühlsuhr) können helfen, mit überwältigenden Gefühlen umzugehen.

Ich hoffe, dass ich dir einen guten Überblick geben konnte, wie sich ein Schnuller auf die Sprachentwicklung auswirken kann – ohne dir ein schlechtes Gewissen zu machen. Ein Schnuller ist nichts per sè Schlechtes und wirkt sich nicht zwangsläufig auf die Aussprache aus: Es kommt auf die Dosis an.

2 Kommentare zu „Wie schädlich ist der Schnuller für die Sprachentwicklung?“

    1. Vielen Dank, Daniela, das freut mich riesig! Das Thema Schnuller ist nicht so einfach und oft auch mit schlechtem Gewissen verbunden. Da wollte ich gerne mehr Klarheit schaffen.
      Liebe Grüße
      Wiebke

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Wiebke Schomaker Logopädin

Hallo, hier schreibt Wiebke!

Ich bin Logopädin, Autorin dieses Blogs und Mutter von drei Kindern. Hier findest du Infos zur Sprachentwicklung und Tipps, wie du dein Kind beim Sprechenlernen kompetent und spielerisch begleiten kannst.

Viel Spaß beim Lesen! 🤩

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