Mundatmung bei Kindern: 5 Gründe, warum dein Kind nicht durch den Mund atmen sollte. Mit Tipps zum Üben der Nasenatmung

Vermutlich hast du schon öfter gehört, dass die Atmung durch die Nase besser sein soll als die Mundatmung. Aber warum eigentlich? In diesem Artikel schreibe ich über 5 mögliche Auswirkungen, die Mundatmung bei Kindern haben kann. Außerdem erkläre ich Ursachen für Mundatmung und – am wichtigsten – gebe dir Tipps, wie du dein Kind bei einer Umgewöhnung auf die Nasenatmung unterstützen kannst.

Inhalt

Welche Auswirkungen kann häufige Mundatmung bei Kindern haben?

1. Die Ruhelage der Zunge verändert sich

Ist es nicht egal, wo die Zunge im Mund ist? Die Ruhelage der Zunge im Mund (das ist die Position der Zunge im Mund, wenn jemand nicht spricht oder isst), hat tatsächlich vor allem bei Kindern große Auswirkungen. Denn im Kleinkindalter ist der Gaumen und Oberkiefer noch sehr formbar. 

Die Zunge ist bei Kindern dafür zuständig, den Oberkiefer so zu formen, dass er breit und flach wächst. Wenn die Zunge aber ihre Ruhelage nicht oben am Gaumen einnimmt, sondern unten im Mund liegt, dann wächst der Oberkiefer schmal und hoch (der sogenannte „Gotische Gaumen“). Dies hat unter anderem Folgen für die Zähne:

2. Die bleibenden Zähne haben zu wenig Platz im Oberkiefer

Wenn sich der Gaumen schmal und V-förmig statt breit und U-förmig (in Form der flachen Zunge) entwickelt, können verschiedene Zahnfehlstellungen entstehen. Denn der Platz im Oberkiefer reicht für die bleibenden Zähne oft nicht aus. 

Oft vermuten Eltern, dass ein schmaler Gaumen und schiefe Zähne einfach vererbt sind. Tatsächlich sind nur 20% aller Zahlfehlstellungen, die kieferorthopädisch behandelt werden, rein genetisch bedingt!* 

Eine Hauptursache für zu geringen Platz im Oberkiefer ist die Mundatmung mit fehlendem Lippenschluss und daraus folgend die veränderte Ruhelage der Zunge.

*Quelle für die kieferorthopädischen Informationen: Fortbildungsunterlagen Dr. med. dent. Andrea Freudenberg: „Zähne lesen lernen“, 20./21.4.2023

Ein zu schmaler Oberkiefer ist eine häufige Folge von ständiger Mundatmung im Kleinkindalter.

3. Es kann ein Lispeln und/oder eine verwaschene Aussprache entstehen

Die Zunge drückt, wenn häufig durch den Mund geatmet wird, oft auch beim Schlucken und Sprechen vorne gegen die Zähne. Die Mund- und Zungenmuskulatur verändert sich und die präzisen Bewegungen, die für die Artikulation nötig sind, fallen schwerer. 

Vor allem der S-Laut, für den eine besonders feine Muskelspannung benötigt wird, ist betroffen: Ein Lispeln (Sigmatismus) kann entstehen, aber auch insgesamt kann die Aussprache etwas verwaschen („nuschelig“) klingen.

4. Die Anfälligkeit für Erkältungen, Mittelohrentzündungen und Nasen-Nebenhöhlenentzündungen steigt

Die Nase filtert die Einatemluft und erwärmt sie. Dadurch werden Krankheitskeime direkt abgefangen. Bei einer Mundatmung fehlt diese Filterfunktion der Nase. Kalte Luft strömt direkt und ungefiltert in die Lunge, so dass Mundatmer häufig infektanfälliger sind. 

Ein ungünstiger Kreislauf beginnt: Denn durch häufige Erkältungen beginnt die Rachenmandel als Immunantwort bei vielen Kindern anzuschwellen. Dadurch kann Nasenatmung behindert werden und es wird noch mehr durch den Mund geatmet – nun mit organischer Ursache. 

Auch das Wachstum der Nasennebenhöhlen wird durch fehlende Nasenatmung beeinflusst: Die Nebenhöhlen der Nase sind bei Babys und Kleinkindern noch sehr eng. Die Nasenatmung sorgt dafür, dass sie sich ausweiten und wachsen. Bei ständiger Mundatmung bleiben die Nasennebenhöhlen eng und Entzündungen werden wahrscheinlicher.

5. Die Schlafqualität kann sich verschlechtern

Die Sauerstoffsättigung ist bei nächtlicher Mundatmung geringer als bei Nasenatmung. Vor allem ältere Kinder und Erwachsene haben sich angewöhnt, am Tag den Mund zu schließen, atmen aber im Schlaf viel durch den Mund. Dadurch ist der Schlaf weniger erholsam, der Mund ist beim Aufwachen sehr trocken und die Infektanfälligkeit wiederum erhöht.

Ein zusätzlich interessanter Aspekt:  Die Zungenruhelage oben am Gaumen wirkt beruhigend, da Studien zufolge so der Parasympathikus ausgelöst wird, also das Nervensystem, das für Entspannung und Regeneration zuständig ist. 

Was sind die Ursachen für Mundatmung?

Organische Ursachen

Ein häufiger organische Grund für Mundatmung bei Kindern: Eine stark vergrößerte Rachenmandel (umgangssprachlich „Polypen“ genannt). Die vergrößerte Rachenmandel kann den hinteren Naseneingang so verkleinern oder verdecken, dass eine Nasenatmung kaum möglich ist und das Kind zwangsläufig durch den Mund atmen muss (siehe Abbildung weiter unten). 

Auch Allergien oder eine schiefe Nasenscheidewand können manchmal die Nasenatmung behindern, genauso wie ein zu kurzes Zungenband, das eine korrekte Zungenruhelage verhindert. Mehr zum Zungenband erfährst du zum Beispiel bei der Deutschen Fachgesellschaft für Behandlung oraler Restriktionen (Defagor).

Was ist Mundatmung? anatomisches Bild
Auf diesem Bild ist die Rachenmandel so stark geschwollen, dass sie den hinteren Eingang zur Nase fast verdeckt. Es ist daher einfacher, durch den Mund zu atmen. Die Zunge muss bei der Mundatmung allerdings nach unten, ihre normale Ruhelage oben am Gaumen ist bei Mundatmung nicht möglich.

Mundatmung als Angewohnheit

Meistens können Kinder eigentlich durch die Nase atmen, haben sich aber die Mundatmung angewöhnt. Dies passiert häufig, wenn jüngere Kinder im Winter dauererkältet waren und ständig durch den Mund atmen mussten. Diese Angwohnheit wird dann manchmal beibehalten, auch wenn Nasenatmung wieder möglich wäre.

Auch der lange und häufige Gebrauch eines Schnullers kann eine Mundatmung verursachen. Denn durch den Schnuller wird die Zunge im Mund nach unten gedrückt und der vollständige Lippenschluss ist nicht möglich. Bei häufigem Schnullern gewöhnen sich Mund und Zunge an den fehlenden Lippenschluss und die falsche Ruhelage der Zunge. Der Mund bleibt offen und die Atmung verändert sich von der Nasen- zur Mundatmung. 

Wie kannst du feststellen, ob dein Kind durch den Mund atmet?

Der deutlichste Hinweis für häufige Mundatmung ist ein (leicht) offenstehender Mund. Auf folgendem Foto siehst du ein Kind mit offener Mundhaltung und nach vorne verlagerter Zunge, das durch den Mund atmet:

Offener Mund und Mundatmung bei Kindern
Bei offener Mundhaltung schiebt sich häufig die Zunge nach vorne.

Nicht immer ist die Mundatmung bei Kindern so deutlich zu sehen. Vor allem ältere Kinder haben gelernt, den Mund in sozialen Situationen geschlossen zu halten. Nachts im Schlaf oder bei Konzentration wechseln sie jedoch wieder zur Mundatmung. 

Beobachte daher dein Kind, wenn es sich konzentriert und wenn es schläft: Sind die Lippen wirklich geschlossen oder ist ein (leicht) offener Mund zu sehen? Dann wird sehr wahrscheinlich durch den Mund geatmet. 

Mundatmung bei Kindern im Schlaf
Nachts schlafen viele Kinder (und Erwachsene) mit offenem Mund. In bestimmten
Kinder mit Mundatmung am Tag
Auch bei konzentrierten Tätigkeiten wechseln viele Kinder auf die Mundatmung.

Elternfrage: Ist eine offene Mundhaltung gleich Mundatmung? Bei meinem Sohn kommt es mir nämlich häufig so vor, als ob er durch die Nase atmet, jedoch der Mund offen steht... auch nachts.

Ja, es ist möglich, dass dein Sohn eine offene Mundhaltung hat und trotzdem durch die Nase atmet. Meistens stellt sich jedoch das Atmungssystem irgendwann auf Mundatmung um, wenn der Mund offen ist. 

Ideal ist ein offener Mund auch bei Nasenatmung leider nicht. Denn bei offenem Mund liegt die Zunge (auch, wenn durch die Nase geatmet wird), für gewöhnlich am Mundboden. Dadurch können zum Beispiel ein enger Kiefer und Zahnfehlstellungen entstehen. 

Mein Tipp, wenn du dir nicht sicher bist, ob dein Sohn im Schlaf durch Mund oder Nase atmet: Halte einen kalten Löffel oder Spiegel mit kleinem Abstand vor seinen Mund. Beschlägt die Fläche? Dann kommt die warme Ausatemluft durch den Mund.

Meine Tipps, wie du deinem Kind helfen kannst, sich die Nasenatmung anzugewöhnen

Wenn du feststellst, dass dein Kind häufig oder ständig durch den Mund atmet (ohne, dass es akut erkältet ist), dann ist eine HNO-ärztliche Untersuchung sinnvoll. Dort können medizinische Ursachen der Mundatmung ausgeschlossen oder behandelt werden, zum Beispiel eine vergrößerte Rachenmandel, Allergien oder ein zu kurzes Zungenband.

Auch eine kieferorthopädische Beratung kann bei spezialisierten Ärzt*innen schon im Kindergarten- und Grundschulalter sinnvoll sein. Auf der Seite der Mykie-Akademie findest du mehr Informationen zu frühen kieferorthopädischen Behandlungen.

Wenn dein Kind aus Gewohnheit durch den Mund atmet, ohne dass es organische Ursachen gibt, kannst du es beim Umgewöhnen auf Nasenatmung unterstützen. Ich empfehle dir, dafür logopädische Unterstützung zu suchen, vor allem, wenn auch das Schluckmuster oder die Artikulation betroffen ist. Dein Kind braucht dann vermutlich eine myofunktionelle Therapie.

So sollte Nasenatmung aussehen:

  • Die Lippen sind geschlossen.
  • Die Zunge liegt leicht angesaugt oben am Gaumen (der „Schlafplatz“ der Zunge) .
  • Die Zähne von Ober- und Unterkiefer befinden sich im kleinen Abstand zueinander.
  • Die Ein- und Ausatmung erfolgt durch die Nase.
Was ist Nasenatmung? Anatomisches Bild
Die Luft strömt bei der Nasenatmung durch die Nase in die Luftröhre. Währenddessen kann der Mund geschlossen bleiben und die Zunge kann sich oben an den Gaumen anschmiegen.

Elternfrage: Mein Kind atmet beim Sprechen immer durch den Mund (ich auch). Ist das normal oder muss man da auch was tun?

Das ist normal! Beim Sprechen brauchen wir schnelle Einatmung, um genug Luft zum Weitersprechen zu haben. Deshalb ist es beim Sprechen genau richtig (und vom Körper so geplant), dass durch den Mund geatmet wird – genauso wie bei Ausdauersport.

Die Nasenatmung ist dagegen sinnvoll, sobald wir nicht sprechen.

So könnt ihr üben - zwei Schritte auf dem Weg zur Nasenatmung

1. Schritt: Mundschluss üben

  • mit Stoppuhr: Wer schafft es, 1 Minute den Mund geschlossen zu halten?
  • beim Spielen: Spielt ein Spiel, bei dem nicht geredet werden muss (Uno, Puzzlen,…). Verabredet vorher, sich gegenseitig zu „erwischen“, wenn der Mund des anderen offen steht. Damit es deinem Kind mehr Spaß macht, kannst du immer mal den Mund offen stehen lassen – damit es auch dich erwischen kann.

2. Schritt: Zungenruhelage üben

  • Erkläre deinem Kind den Schlafplatz der Zunge. Das geht zum Beispiel gut, in dem ihr langsames Schnalzen übt.
  • Verabredet Situationen im Alltag, an dem du dein Kind erinnerst: Spür mal, wo deine Zunge gerade ist? Auch dein Kind kann dich in diesen Situationen an den Zungenschlafplatz erinnern. Diese gegenseitigen Verabredungen wirken oft motivierender für Kinder, als wenn du es ständig daran erinnerst. 

Mit diesen beiden Alltagsübungen kannst du zum Beispiel die Wartezeit auf einen Logopädieplatz überbrücken und bestmögliche Voraussetzungen für den Therapiestart schaffen.

Nasenatmung für Babys und Kleinkinder

Dein Kind ist noch zu jung, um gezielt und aus eigenem Antrieb den Mundschluss und die Zungenruhelage zu üben? Auch indirekt kannst du beides fördern, zum Beispiel so:

  • Kauen: Lass dein Kind (wenn es alt genug ist) verschiedene Konsistenzen kauen, auch harte Möhren, Gurken mit Schale oder Vollkornbrot mit harter Rinde. Auch eine kräftige Kaumuskulatur fördert Kieferwachstum und Mundschluss.
  • Trinken: Gib deinem Kind außerhalb von Stillmahlzeiten zum Trinken einen normalen Becher. Das Stillen ist ein sehr gutes Training für die Mund- und Zungenmuskulatur. Falls dein Baby Milch aus der Babyflasche bekommt, sollte der Sauger der Flasche möglichst brustähnlich und das Loch möglichst klein sein.
  • Möglichst wenig Schnullerzeit: Nach dem Einschlafen kannst du zum Beispiel den Schnuller aus dem Mund ziehen und sanft den Unterkiefer nach oben schieben, um den Mund zu schließen.
  • Orale Exploration: Stärke die Wahrnehmung des Mundes und der Zunge, zum Beispiel mit speziellen Beißringen von Logicana und fördere die Erkundung verschiedener Gegenstände mit dem Mund.

Nasenatmung als Erwachsener

Vielleicht ist dir beim Lesen dieses Artikels bewusst geworden, dass du selbst ebenfalls häufig durch den Mund atmest? Oder du erinnerst dich, dass du aufgrund eines „schmalen Kiefers“ oder eines „offenen Bisses“ eine Zahnspange tragen musstest? 

Ein schmal gewachsener Oberkiefer ist als Erwachsener nicht mehr so leicht zu ändern (ich selbst habe übrigens, vermutlich u.a. verursacht durch Daumenlutschen als Kind, ebenfalls einen eher schmalen Oberkiefer). Aber auch jetzt kannst du dir noch eine Nasenatmung angewöhnen. Es lohnt sich!

3 Kommentare zu „Mundatmung bei Kindern: 5 Gründe, warum dein Kind nicht durch den Mund atmen sollte (und was du tun kannst)“

  1. Ach herrje!
    Mir har ja noch niemand erklärt, dass das S|SCH Problem meiner Tochter mit dem fehlenden Mundschluss und den Polypen zusammenhängt.

    Toll beschrieben! Wir sind gerade Schnupfenfrei, morgen wird Mundschluss geübt!

    Danke für den tollen Artikel!

  2. Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Mundatmung. Ich informiere mich gerade über Stillprobleme durch ein zu kurzes Zungenband. Interessant, dass ein schmal gewachsener Oberkiefer als Erwachsener nicht mehr so leicht zu ändern ist.

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Wiebke Schomaker Logopädin

Hallo, hier schreibt Wiebke!

Als Logopädin zeige ich Eltern, wie sie die Sprachentwicklung ihres Kindes spielerisch und kompetent unterstützen können.

Auf meinem Blog findest du logopädisches Fachwissen in verständlicher Sprache, motivierende Spielideen zur Sprachförderung und auch ein paar persönliche Artikel.

Viel Spaß beim Lesen! 🤩

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