Sprachfit für die Schule: Ein Workshop für pädagogische Fachkräfte

Workshop für pädagogische Fachkräfte: Sprachfit für die Schule

Hier gibt es einen Einblick in meinen fünfstündigen Workshop „Sprachfit für die Schule“, den ich am 10.2.2025 mit 15 pädagogischen Fachkräften zum „Fachtag Sprache“ in Hessisch-Oldenau durchgeführt habe.

Teil 1: Check-in

Zu Beginn des Workshops steigen wir mit diesen drei Fragen in das Thema „Vorschularbeit in der Kita“ ein:

  • Wie ist die Förderung der Vorschulkinder in deiner Einrichtung organisiert?
  • Was ist deine größte Herausforderung in der Vorschularbeit?
  • Was macht dir an der Förderung der Vorschulkinder am meisten Spaß?

Besonders häufig werden folgende drei Herausforderungen in der Vorschularbeit genannt:

Ich finde es schwer,…

  • …dem unterschiedlichen Entwicklungsstand der Kinder gerecht zu werden.
  • …Kinder, die wenig Deutsch verstehen können, ausreichend zu fördern.
  • …dass ich die Gruppe oft alleine leiten muss, weil es der Personalschlüssel oft nicht ermöglicht, die Gruppe mit mehreren Fachkräften zu leiten oder die Gruppe zu teilen.

Besonders viel Spaß machen den pädagogischen Fachkräften diese Erlebnisse:

Ich finde es schön,…

  • …die Fortschritte und Erfolge der Kinder mitzuerleben.
  • …die Begeisterung der Kinder für die Schule mitzuerleben.
  • …zu erleben, wie wissbegierig und motiviert alle Kinder sind.
Check-in ins Thema „Vorschularbeit“: Was ist schwer und was ist leicht?

Teil 2: Was bedeutet „Schulfähigkeit“?

Wir besprechen, welche Eigenschaften und welche Fähigkeiten ein Kind hat, das ich mit einem gutem Gefühl aus dem Kindergarten in die erste Klasse entlasse. Die pädagogischen Fachkräfte erarbeiten folgende Schulfähigkeiten:

Ein Kind, das bereit für die Schule ist,…

  • ist neugierig und wissbegierig
  • ist selbstbewusst
  • kann sich gut konzentrieren
  • kann zuhören
  • kann Bedürfnisse für eine gewisse Zeit zurückstellen
  • ist hilfsbereit
  • versteht Regeln und kann sie einhalten
  • kann sich selbst organisieren
  • kann gut mit den eigenen Gefühlen umgehen

Die aufgezählten Fähigkeiten lassen sich unter dem Oberbegriff „emotionale und soziale Fähigkeiten“ zusammenfassen. Sie werden in der gesamten Kitazeit eines Kindes vor allem alltagsintegriert gefördert.

Lesetipp: Die vier Entwicklungsbereiche der Schulfähigkeit von der Ergotherapeutin Jana Becker

Insbesondere im letzten Kita-Jahr kommt gezielt die Förderung der Vorläuferfähigkeiten für das Lesen, Schreiben und Rechnen dazu. Welche Vorläuferfähigkeiten insbesondere für das Lesen und Schreiben wichtig sind, erarbeiten wir in Teil 3 des Workshops.

Teil 3: Welche sprachlichen Fähigkeiten brauchen Kinder, um gut lesen und schreiben zu lernen?

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops erarbeiten, welche sprachlichen Fähigkeiten ein Kind mit 5 bis 6 Jahren haben sollte, damit es gute Voraussetzungen hat, problemlos lesen und schreiben zu lernen.

Hier ist eine kurze Zusammenfassung:

Gute Voraussetzungen für das Lesen und Schreiben hat ein Kind, wenn es folgende sprachlichen Fähigkeiten zur Einschulung hat:

  • im Bereich Aussprache: vertauscht keine Laute mehr, lässt keine Laute weg und kann auch schwierige Konsonantenverbindungen richtig aussprechen (z.B. Trecker, Knopf, Straße, springen)
  • im Bereich Grammatik: kann vollständige Sätze mit richtiger Wortfolge, Plural (Mehrzahl) und den Akkusativ korrekt bilden, Verben meistens richtig beugen, Artikel meistens korrekt einsetzen
  • Phonologische Bewusstheit: kann Reime erkennen und bilden, Silben erkennen, Anlaute von Wörtern hören, 2 bis 3 Laute zu einem Wort zusammenziehen

Folgende sprachlichen Fähigkeiten müssen zur Einschulung noch nicht entwickelt sein:

  • Lispeln: Der S-Laut wird von vielen Kinder noch gelispelt. Diese Fehlbildung behindert nicht den Lese- und Rechtschreiberwerb (im Gegensatz zu Aussprachefehlern, bei denen ein Laut durch einen anderen ersetzt oder weggelassen wird).
  • Dativ: Die Bildung des Dativs („Ich gebe dem Hund das Futter.“) lernen viele Kinder erst im Laufe der Grundschulzeit. Bis dahin ersetzen sie ihn häufig mit dem Akkusativ („Ich gebe den Hund das Futter.“)
  • Unregelmässige Verben: Die regelmässige Vergangenheitsform „malen – gemalt“ wird manchmal noch auf unregelmässige Verben übertragen („schwimmen – geschwimmt“).

Lesetipp: Die Entwicklung der Grammatik bei Kindern

Teil 4: Beispielkind Tristan

Am Beispiel von Tristan wird erarbeitet, welche Entwicklung Kinder mit einer Lese-Rechtschreibschwäche oder Legasthenie häufig durchlaufen und wie schon früh Risikofaktoren erkannt werden könnten.

Fallbeispiel Tristan

Tristan beginnt spät zu sprechen, er ist ein Late Talker. Mit vier Jahren wird eine Sprachentwicklungsstörung und eine phonologische Verzögerung diagnostiziert. Er bekommt logopädische Therapie und scheint mit 6 Jahren „symptomfrei“ zu sein. Bei der Schuleingangsuntersuchung sind keine sprachlichen Auffälligkeiten erkennbar.

Die pädagogischen Fachkräfte beobachten allerdings, dass Tristan Schwierigkeiten hat, Reime zu erkennen, nicht sicher Silben klatschen kann und bei Wörtern nur selten den Anlaut erkennt.

Nach der Einschulung wird schon in den ersten Monaten klar, dass Tristan das Zusammenziehen von Buchstaben zu einer Silbe schwer fällt und er Schwierigkeiten hat, ein kurzes Wort wie „Besen“ in seine einzelnen Laute zu zerlegen.

Tristans anfängliche Begeisterung für die Schule verwandelt sich in große Frustration und Selbstzweifel. Er beginnt, Hausaufgaben zu verweigern und will nicht mehr zur Schule gehen. Im Mai nach der Einschulung wird eine Legasthenie diagnostiziert.

Flipchart zur Veranschaulichung: Tristans Entwicklung

Studien zeigen zwei Risikofaktoren für die Entwicklung von Lese-Rechtschreibschwächen, die auch in Tristans Entwicklung sichtbar sind:

Risikofaktor Sprachentwicklungsstörung (SES)

Etwa 50% aller Kinder mit einer auffälligen Sprachentwicklung entwickeln eine LRS. Und wiederum 50% aller Kinder mit einer LRS hatten oder haben eine Sprachentwicklungsstörung.*

*Quelle: Petra Krätsch-Sievert: Frühdiagnostik von Risikofaktoren für das Lesen, Rechnen und Schreiben (Seminarskript)

Lesetipp: Was ist eine Sprachentwicklungsstörung?

Risikofaktor Eingeschränkte Phonologische Bewusstheit

Definition Phonologische Bewusstheit

Die phonologische Bewusstheit ist die Fähigkeit, nicht nur die Bedeutung von Wörtern zu kennen, sondern auch Wörter „von außen“ zu analysieren. Vorschulkinder mit gut entwickelter phonologischer Bewusstheit können zum Beispiel folgende Fragen beantworten:

  • Wie viele Silben hat das Wort „Pa-pa-gei?“
  • Was reimt sich auf Haus? Tür oder Maus?
  • Welches Wort fängt mit A an? Ameise oder Murmel?

Die phonologische Bewusstheit gilt als eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen gelingenden Lese- und Rechschreiberwerb.

Lesetipp: Was ist phonologische Bewusstheit und wie kann sie gefördert werden?

Inzwischen ist eindeutig belegt, dass die Förderung der phonologischen Bewusstheit im Vorschulalter das Risiko einer Lese-Rechtschreib-Schwäche deutlich senken kann.

Die Vorschularbeit in der Kita hat also eine immens wichtige Bedeutung, um Kindern mit weniger guten Voraussetzungen trotzdem ein Stück weit Chancengleichheit zu geben und einen guten Start in die Schule zu ermöglichen.

„Die Vorschularbeit macht den Boden fruchtbar für Buchstaben und Zahlen.“

Dr. Petra Krätsch-Sievert

Teil 5: Kreative Spielewerkstatt

Dieser Teil des Workshops nimmt den größten Raum ein. Zunächst stelle ich Spiele zur Förderung der phonologischen Bewusstheit vor. Das dafür nötige Spielmaterial haben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Beginn in ihrer Workshop-Box erhalten.

Die Workshop-Box mit Spielmaterial – damit die Umsetzung direkt starten kann
Ein Spiel aus der Workshop-Box: Das Monsterspiel

Spiele selbst erfinden

Anschließend können die Workshop-Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst kreativ werden. In Gruppen zu Dritt überlegen sie für einen Teilbereich der phonologischen Bewusstheit neue Spiele zur Förderung in der Vorschulgruppe oder im Morgenkreis, als Bewegungsspiel, als 5-Minuten-Spiel oder für die Einzelförderung.

Als Anregung gibt es eine bunte Mischung aus einfachem Spielmaterial, das zum Ausprobieren der Spiele genutzt werden kann.

In den nächsten zwei Stunden entstehen viele neue Spiele zur Förderung der phonologischen Bewusstheit, die in Kleingruppen erfunden, ausprobiert und im Plenum vorgestellt werden.

Diese Spielesammlung wird in den nächsten Tagen auf einer digitalen Workshopseite geteilt, so dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops Zugriff auf die Spiele haben.

Kreative Spielewerkstatt

Teil 6: Check-out

Nach knapp 5 Stunden Workshoparbeit schließen wir den Tag mit einer kurzen Runde zu der Frage ab: „Welche Idee oder welches Spiel will ich in den nächsten Tagen als Erstes in der Kita umsetzen?“

Übereinstimmend freuen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darauf, die Spiele aus der Workshop-Box auszuprobieren und sind gespannt auf die gemeinsam erstellten Spiele. die als Spielesammlung in den nächsten Tagen per QR-Code abgerufen werden kann.

Mein eigenes Fazit: Mir hat dieser neu konzipierte Workshop viel Spaß gemacht! Die Atmosphäre empfand ich als locker und gleichzeitig konzentriert. Besonders gefreut hat mich zu sehen, wie engagiert die pädagogischen Fachkräfte sind, um möglichst allen Kindern gerecht werden zu können, und welche kreativen, tollen Spielideen entstanden sind.

Du suchst nach einer Dozentin für einen Workshop rund um Sprachförderung, Sprachentwicklung und Logopädie? Schreib mir sehr gerne eine E-Mail für deine Anfrage.

2 Kommentare zu „Workshop für pädagogische Fachkräfte: Sprachfit für die Schule“

  1. Pingback: 25 Sprachspiele für die Vorschule - starke sprache

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Wiebke Schomaker Logopädin

Hallo, hier schreibt Wiebke!

Ich bin Logopädin, Autorin und Mutter von drei Kindern. Hier findest du Infos zur Sprachentwicklung und Tipps, wie du dein Kind beim Sprechenlernen kompetent und spielerisch begleiten kannst.

Viel Spaß beim Lesen! 🤩

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