Dein Kind erzählt dir etwas voller Begeisterung, aber du verstehst es einfach nicht? Das Nicht-verstanden-werden kann für beide Seiten sehr frustrierend sein.
Hier zeige ich dir die drei häufigsten Gründe für eine undeutliche Aussprache und du bekommst konkrete Tipps, wie du deinem Kind helfen kannst, deutlicher zu sprechen.
Inhalt des Artikels
Grund 1: Das Kind kann noch nicht alle Buchstaben sprechen
Es ist ganz normal, dass Kinder am Anfang der Sprachentwicklung noch nicht alle Laute („Buchstaben“) richtig aussprechen können. Bis dahin suchen sich Kinder einen leichteren Ersatzlaut oder sie lassen den schwierigen Laut einfach noch weg.
Typische Beispiele für Lautersetzungen:
- K wird zu T: Aus Kuchen wird „Tuchen“
- SCH wird zu S: Aus Schnecke wird „Snecke“ oder „Necke“
Diese Lautersetzungen können es schwerer machen, dein Kind zu verstehen – vor allem für Menschen, die dein Kind nicht so gut kennen. Enge Bezugspersonen hingegen hören sich meistens in die typischen Aussprachefehler des Kindes ein und nehmen sie oft kaum noch wahr.
Wichtig: Es gibt auch Aussprachefehler, die nicht typisch für die Sprachentwicklung sind. Wenn dein Kind ungewöhnliche Fehler macht oder so spricht wie ein jüngeres Kind, dann könnte eine logopädische Diagnostik sinnvoll sein.
Hier findest du mehr Infos zu typischen und ungewöhnlichen Aussprachefehlern.
Tipp: Fünf Alltagstipps und -strategien, um die deutliche Aussprache zu stärken, findest du in meinem Logopädie-Leitfaden für 0 € (15-seitiges PDF).
Grund 2: Die phonologische Bewusstheit ist eingeschränkt
Manchmal kann ein Kind bereits alle Laute sprechen. Aber die Wahrnehmung für die einzelnen Bestandteile von Wörtern (Silben und Laute) ist noch unsicher. Dies erkennst du zum Beispiel daran, dass ein Kind
- Lieder nicht im Rhythmus mitklatschen kann
- keine Reime erkennt
- ein Wort nicht rhythmisch in Silben sprechen kann
- nicht wahrnehmen kann, mit welchem Laut ein Wort beginnt
Info: Diese Fähigkeiten (Fachbegriff: phonologische Bewusstheit) beginnen, sich mit ca. 3-4 Jahren zu entwickeln. Bis zur Einschulung ist es wichtig, dass ein Kind leicht Reime, Silben und Anlaute erkennen kann. Denn die phonologische Bewusstheit gilt als eine der wichtigsten Grundlagen, um erfolgreich lesen und schreiben zu lernen.
Aber auch die Aussprache kann durch eine unsichere phonologische Wahrnehmung beeinflusst werden.
Tipps, um die Bewusstheit für Silben, Reime und Wortrythmus zu fördern:
- zu Liedern im Rhythmus klatschen oder stampfen
- Bücher in Reimform vorlesen
- Sprechzeichnen (Sprache mit Bewegung verbinden)
Hier findest du zwei Ideen zum Sprechzeichnen auf meinem Blog:
Grund 3: Zunge und Atmung sind auffällig
Auch wenn ein Kind alle Laute sprechen kann: Die Aussprache kann trotzdem „irgendwie verwaschen“ klingen. Diese „nuschelige Aussprache“ hängt häufig mit einer auffälligen Entwicklung von Zunge und Atmung zusammen: Denn für eine saubere Aussprache ist eine feine Wahrnehmung und eine gut abgestimmte Koordination nötig.
Diese feine Abstimmung von Mund, Zunge und Atmung kann gestört werden.
Beispiel: Mika (4 Jahre alt)
Seit zwei Jahren hat Mika ständig wiederkehrende Infekte. Dadurch kann er monatelang nicht durch die Nase atmen. Durch die Infekte ist auch der Zugang zum Mittelohr zugeschwollen und es entstehen immer wieder Paukenergüsse. Dadurch kann Mika Sprache nur noch undeutlich hören.
Mika kann die Laute K, G, R und SCH noch nicht sprechen und spricht auch insgesamt undeutlich, vor allem, er müde oder sehr aufgeregt ist.
Der HNO-Arzt empfiehlt schließlich Paukenröhrchen und die Entfernung der vergrößerten Rachenmandel (Polypen).
Nach der OP kann Mika Sprache wieder gut verstehen und macht Fortschritte in seiner Sprachentwicklung. Allerdings bleiben die Mundatmung und das undeutliche Sprechen bestehen, auch wenn Mika eigentlich wieder durch die Nase atmen könnte.
Ich erlebe immer wieder, dass sich nach einer Paukenröhrchen-OP die Mundatmung nicht wieder automatisch auf Nasenatmung umstellt. Denn wenn ein Kind jahrelang durch den Mund geatmet hat, fühlt es sich zunächst ungewohnt an, plötzlich durch die Nase zu atmen. Das ganze Atemsystem ist noch auf Mundatmung eingestellt.
Mundatmung kann verschiedene negative Auswirkungen haben. Unter anderem wirkt sie sich auf die Zunge aus: Diese kann bei Mundatmung nicht mehr in ihrer natürlichen Position oben am Gaumen liegen. Oft liegt sie stattdessen unten im Mundraum oder auch zwischen den Zähnen. Dadurch kann sich die Mund- und Zungenmuskulatur verändern und die präzisen Bewegungen, die für die genaue Artikulation nötig sind, fallen schwerer.
Tipps, um die Nasenatmung zu fördern:
- Finde zunächst heraus, ob es organische Ursachen gibt, die die Nasenatmung erschweren (hier findest du die häufigsten Folgen und Ursachen von Mundatmung)
- Schnuller oder Daumennuckeln können ebenfalls Mundatmung begünstigen. Beides ist oft nicht leicht abzugewöhnen. Meine Tipps, um die Schnullerzeit zu reduzieren, findest du hier.
- Entdecke gemeinsam mit deinem Kind die Atmung: Wie fühlt sich Mundatmung an und wie geht Nasenatmung? Was ist der Unterschied und warum ist Nasenatmung eigentlich so wichtig?

Buchtipp: In meinem Kinderbuch „Ida und das Wunder der Atmung“ erleben Kinder mit Ida und dem Elefanten Elo, warum wir atmen, wie Atmung funktioniert und warum Nasenatmung wichtig ist.
- spannendes Mitmachbuch für Kinder ab ca. 5 Jahren
- mit Informationsteil für Eltern und Fachkräfte
- mit Spielen zur Nasenatmung und mit Bilderbuchkino
Fazit
Es gibt verschiedene Gründe, warum Kinder undeutlich sprechen, von normalen Entwicklungsschritten bis hin zu Schwierigkeiten, bei denen ein Kind ärztliche oder logopädische Unterstützung braucht.
Nicht immer ist sofort klar zu erkennen, welche Ursachen hinter den Ausspracheschwierigkeiten stecken. Und manchmal gibt es auch mehrere Gründe gleichzeitig, wie bei Mika.
Wichtig ist, dass die Ursachen erkannt werden, damit Kinder rechtzeitig die Unterstützung bekommen, die sie für ihre gesunde Entwicklung brauchen.

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Hallo, hier schreibt Wiebke!
Ich bin Logopädin, Autorin und Mutter von drei Kindern. Hier findest du Infos zur Sprachentwicklung und Tipps, wie du dein Kind beim Sprechenlernen kompetent und spielerisch begleiten kannst.
Viel Spaß beim Lesen! 🤩