Eine Phonologische Störung ist eine Sprachentwicklungsstörung, bei der Kinder Aussprachefehler machen, die nicht zur typischen Sprachentwicklung gehören. Die Lautersetzungen treten konstant bei allen Wörtern auf, die das Kind spricht.
Inhalt
Was ist der Unterschied zwischen Phonologischer Störung und Phonologischer Verzögerung?
In der kindlichen Sprachentwicklung sind Aussprachefehler ganz normal. Wenn ein Kind einen Laut noch nicht sprechen kann, dann
- lässt es diesen Laut im Wort weg (Kran wird zu „Kan“) oder
- ersetzt den Laut durch einen einfacheren Laut (z.B. Kran wird zu „Tran“).
Diese Aussprachefehler nennen sich phonologische Prozesse. Normalerweise lösen sie sich in den ersten Lebensjahren von alleine, sobald ein Kind einen neuen Laut sprechen kann. Eine Phonologische Verzögerung zeigen Kinder, die noch so sprechen wie ein jüngeres Kind. Sie stocken also in ihrer Ausspracheentwicklung und haben phonologische Prozesse, die nicht mehr altersgemäß sind.
Beispiele für Phonologische Verzögerungen:
- Ein 4 ½ jähriges Kind ersetzt die Laute K und G noch durch T und D.
- Ein 5 ½ jähriges Kind ersetzt noch SCH durch S.
Phonologische Verzögerungen lösen sich oft von selbst. Je länger eine Phonologische Verzögerung besteht (länger als 6-12 Monate), desto geringer wird jedoch diese Wahrscheinlichkeit. Ab dem 5. Geburtstag werden kaum noch spontane Verbesserungen beobachtet. Spätestens jetzt braucht ein Kind mit einer Phonologischen Verzögerung Unterstützung in Form von logopädischer Therapie.
Kinder mit einer Phonologischen Störung dagegen machen Aussprachefehler, die nicht typisch für die kindliche Sprachentwicklung sind. Ihre Aussprache ist also nicht verzögert (sie sprechen also nicht so wie jüngere Kinder), sondern sie machen sehr seltene und ungewöhnliche Fehler. Oft sind diese Kinder schwer verständlich und brauchen frühzeitig logopädische Unterstützung.
Wie klingt eine Phonologische Störung?
Eine Phonologische Störung ist systematisch. Das bedeutet: Kinder mit einer Phonologischen Störung ersetzen Laute nicht einfach irgendwie, sondern nach einem ganz bestimmten System. Dabei entstehen manchmal Wörter, die sogar schwieriger auszusprechen sind als „das Original“.
Daraus wird ersichtlich, dass das Problem einer Phonologischen Störung nicht in einer schwachen Mundmotorik oder ähnlichem liegt. Das eigentliche Problem liegt (vereinfacht gesagt) in einer fehlerhaften Speicherung einiger Laute – sie befinden sich sozusagen in der falschen Schublade und werden deshalb falsch eingesetzt.
Auf den folgenden Bildern siehst du drei Kinder, die einen ähnlichen Satz ganz unterschiedlich aussprechen. Alle drei Kinder haben eine Phonologische Störung:
- Tom ersetzt die vorderen Laute T, D und N durch die hinteren Laute K, G und NG.
- Lisa ersetzt Fließlaute (S, CH, SCH, F, W) durch Plosivlaute (B, P, T, D, K, G).
- Flora ersetzt die meisten Konsonanten am Silbenanfang von Wörtern mit einem H.
Hättest du die Sätze der Kinder verstanden?



Ist eine Phonologische Störung das Gleiche wie eine Dyslalie?
Der Begriff „Dyslalie“ ist ein veralteter Sammelbegriff für Aussprachestörungen. Früher wurden Aussprachefehler in partielle, multiple oder globale Dyslalien unterteilt – es wurde also lediglich die Anzahl der betroffenen Laute (einer, mehrere oder viele) berücksichtigt.
Dank neuerer Forschung und engagierter Logopäd*innen hat sich inzwischen eine neue Einteilung durchgesetzt, die die Art der Aussprachefehler unterscheidet. Denn Aussprachestörungen sind vielfältig und benötigen unterschiedliche Therapieformen und den passenden Therapiezeitpunkt.
Inzwischen werden Aussprachestörungen unterschieden in
- Phonetische Störungen (z.B. Lispeln)
- Phonologische Verzögerungen
- Phonologische Störungen
- Inkonsequente Phonologische Störungen
- Verbale Entwicklungsdyspraxien (VED) / Kindliche Sprechapraxien (KNAX)
Was sind die Ursachen für Phonologische Störungen?
Bei den meisten Kindern kann nicht genau ermittelt werden, warum sich eine Phonologische Störung entwickelt hat.
Studien zeigen, dass es eine familiäre Häufung von Aussprachestörungen gibt. Deshalb wird vermutet, dass es vererbte (genetische) Ursachen gibt, die eine Schwäche in der Sprachverarbeitung verursachen. Diese Sprachverarbeitungsschwäche wiederum kann zu einer Phonologischen Störung führen (und zu weiteren Sprachauffälligkeiten, zum Beispiel zu einer Lese-Rechtschreib-Störung).
Auch Paukenergüsse, Mittelohrentzündungen und Polypen können manchmal eine Phonologische Störung verursachen, wenn sie in einem besonders sensiblen Zeitfenster aufgetreten sind. Denn sie können eine mehrmonatige Hörminderung hervorrufen, die im Alltag oft kaum nicht bemerkt wird. Auch geringe Beeinträchtigungen im Hören wirken sich aus, denn einzelne Sprachlaute werden schlechter wahrgenommen – und daher auch nicht richtig gesprochen. Weitere Informationen zu Zusammenhängen von Paukenergüssen und Polypen und der Sprachentwicklung erfährst du hier.
Wichtig zu wissen: Das Verhalten von Eltern kann keine Aussprachestörung verursachen. Dein Kind hat also nicht zu viele Serien auf dem Tablet geschaut und du hast auch nicht zu selten vorgelesen. Diese äußeren Umstände sind zwar nicht sprachförderlich, können aber auf der anderen Seite auch keine Phonologische Störung auslösen.
Genauso wichtig: Auch ein Kind ist nicht „Schuld“ an einer Aussprachestörung. Kinder mit einer auffälligen Ausspracheentwicklung sind
- nicht weniger intelligent
- nicht „sprechfaul“ und
- nicht schüchterner als Kinder mit unauffälliger Sprachentwicklung.
Allerdings kann sich eine schwere Aussprachestörung mit der Zeit auf die kognitive und psychische Entwicklung eines Kindes auswirken. Denn ein Kind, dass von anderen Kindern, Erzieher*innen und auch von der eigenen Familie oft nicht verstanden wird und sich nicht so mitteilen kann, wie es will, erfährt viel Frustration, oft weniger Förderung (zum Beispiel durch Gespräche) und immer wieder auch Ablehnung („Die kann ja gar nicht richtig sprechen!“).
Deshalb ist es besonders wichtig, bewusst darauf zu achten, auch Kinder mit einer Aussprachestörung in Gespräche einzubeziehen, ihre Interessen zu fördern und sie aktiv vor Mobbing zu schützen.
Wer diagnostiziert eine Phonologische Störung?
Wenn du vermutest, dass dein Kind eine auffällige Aussprache hat, dann ist der erste Schritt zur logopädischen Therapie ein Gespräch mit eurem Kinderarzt/-ärztin.
Nicht alle Kinderärzte sind darin geschult, Phonologische Störungen zu erkennen und von anderen Aussprachestörungen zu unterscheiden. Deshalb wird häufig zum Abwarten geraten, obwohl ein Kind je nach Art der Störung dringend früher logopädische Hilfe bekommen sollte.
Meine Tipps:
- Bestehe auf einer Untersuchung des Gehörs, um eine mögliche (leichte) Schwerhörigkeit als Ursache der Sprachauffälligkeiten auszuschließen.
- Frage nach der Möglichkeit, eine Verordnung für eine logopädische Diagnostik (1-3 Therapieeinheiten) zu bekommen, damit du Klarheit hast, ob ihr noch abwarten könnt oder nicht.
In der logopädischen Diagnostik wird ein umfangreicher Aussprachetest durchgeführt. Dein Kind benennt dabei Bilder und die Logopäd*in analysiert die Aussprache der einzelnen Laute und wie konsequent und konstant die Lautersetzungen sind. Oft wird auch die Mundmotorik spielerisch getestet und es werden evtl. noch weitere Sprachtests gemacht (zum Beispiel das Beschreiben von Bildergeschichten).
Dabei wird natürlich immer auf die Kooperationsmöglichkeiten des Kindes eingegangen. Wenn ein Kind in den ersten Stunden wenig sprechen möchte, ist das (gerade bei Aussprachestörungen) sehr verständlich. Hier hilft es, wenn auch Eltern genauere Angaben über die Sprachentwicklung und über Aussprachefehler machen können.
Die Logopäd*in unterscheidet aufgrund der Testungen, welche Art der Aussprachestörung vorliegt. Denn für die Wahl der Therapiemethode ist es wichtig, eine Phonologische Störung von anderen Auffälligkeiten zu unterscheiden.
Wie wird eine Phonologische Störung behandelt?
Es gibt verschiedene Therapiekonzepte für die Behandlung Phonologischer Störungen. Die in Deutschland bekannteste und sehr wirksame Methode ist die Psycholinguistisch orientierte Phonologietherapie (P.O.P.T.) von Annette Fox-Boyer.
Bei dieser Therapiemethode übt ein Kind unter anderem (verpackt in Spiele), Laute voneinander zu unterscheiden und bewusst aus Wörtern herauszuhören. Einen genaueren Einblick in die logopädische Therapie beschreibe ich in meinem Artikel Spielen oder Lernen? So arbeitet eine Logopädin mit Kindern.
Wie du dein Kind zusätzlich zur logopädischen Therapie (oder in der Wartezeit auf einen Logopädieplatz) unterstützen kannst, habe ich dir in meinem Logopädie-Leitfaden für 0€ zusammengestellt. Darin erfährst du 5 Strategien, mit denen du deinem Kind bei Aussprachefehlern helfen kannst.
Ich hoffe, dass ich dir mit diesem Artikel einige Fragen beantworten konnte. Wenn sich noch weitere Fragen ergeben haben oder du Anmerkungen hast, dann schreibe mir sehr gerne einen Kommentar.
Deine Wiebke
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Wie du deinem Kind helfen kannst, Aussprachefehler zu überwinden.
Ich zeige dir fünf Strategien, mit denen du die Aussprache deines Kindes verbessern kannst – spielerisch und kindgerecht.

1 Kommentar zu „Was ist eine Phonologische Störung?“
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema phonologische Störung. Interessant, dass auch das Gehör untersucht werden sollte. Ich werde mit meiner Tochter auch mal eine Praxis für Logopädie aufsuchen.
Hallo, hier schreibt Wiebke!
Als Logopädin zeige ich Eltern, wie sie die Sprachentwicklung ihres Kindes spielerisch und kompetent unterstützen können.
Auf meinem Blog findest du logopädisches Fachwissen in verständlicher Sprache, motivierende Spielideen zur Sprachförderung und auch ein paar persönliche Artikel.
Viel Spaß beim Lesen! 🤩