Gerade plane ich für meinen Instagrammaccount @starkesprache eine Themenreihe zur Mundatmung – zur Feier meines frisch veröffentlichen Kinderfachbuches über Nasenatmung! Deshalb habe ich bei Instagram gefragt: Was ist deine Frage rund um Mundatmung, Mundschluss und Zungenruhelage, die in dieser Themenwoche unbedingt beantwortet werden sollte?
Die 12 häufigsten Fragen habe ich hier gesammelt und beantwortet. Sie kommen sowohl von Eltern als auch von pädagogischen Fachkräften und Logopädinnen. Über das Inhaltsverzeichnis kannst du zu den Fragen und Antworten springen, die dich interessieren.
Inhalt des Artikels
Warum ist Mundatmung schädlich?
Wenn dauerhaft durch den Mund statt durch die Nase geatmet wird, kann dies verschiedene Auswirkungen haben, zum Beispiel:
- Die Infektanfälligkeit wird erhöht (weil die Filterfunktion der Nase fehlt).
- Die Schlafqualität wird schlechter (weil die Sauerstoffsättigung bei Mundatmung geringer ist).
- Die Kieferentwicklung bei Kindern kann beeinflusst werden (weil die Zunge bei Mundatmung unten im Mund liegt statt oben am Gaumen und dadurch der Gaumen in der Wachstumsphase hoch und schmal wächst statt breit).
In meinem Artikel „Mundatmung bei Kindern: 5 Gründe, warum dein Kind nicht durch den Mund atmen sollte“ erkläre ich die Zusammenhänge genauer.
Ab wann ist mein Kind ein Mundatmer?
Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Denn eine Prozentzahl, ab wieviel Mundatmung pro Tag jemand als „Mundatmer“ definiert ist, habe ich nicht und konnte ich auch in keiner Studie zur Mundatmung finden. Aber vielleicht helfen dir folgende Informationen weiter:
Bei anstrengendem Sport oder für die Dauer eines Schnupfens ist Mundatmung kein Problem. Auch beim Sprechen wird durch den Mund eingeatmet, weil schnell Luft zum Weitersprechen gebraucht wird. Problematisch wird es bei dauerhafter Mundatmung über Wochen und Monate auch in Ruhe oder während des Schlafes.
Hinweise, dass dein Kind ein Mundatmer sein könnte und/oder es andere Auffälligkeiten rund um den Mund gibt , sind zum Beispiel:
- eine offene Mundhaltung
- Schnarchen
- viel Speichelfluss aus dem Mund, ohne dass das Kind gerade zahnt
- eine feuchte Aussprache oder Speichelbläschen in den Mundwinkeln beim Sprechen
- trockene Lippen, viel Lippenlecken (da die Lippen durch den Luftstrom ausgetrocknet werden)
- sehr viele Infekte, Mittelohrentzündungen, eine vergrößerte Rachenmandel („Polypen“) und Paukenergüsse
Ab wann sich Mundatmung bei einem Kind negativ auswirkt, ist individuell verschieden und vom Alter sowie auch von der Veranlagung abhängig. Wenn früh genug gehandelt wird, kann die Entwicklung aber auch wieder in die richtige Richtung gelenkt werden.
Was hat die Zunge mit Mundatmung zu tun?
Die Zunge hat eine physiologische Ruhelage im Mund. Logopädinnen sprechen auch kindgerecht vom „Schlafplatz der Zunge“: Sobald wir nicht essen, trinken oder sprechen, liegt die gesamte Zunge leicht angesaugt oben am Gaumen.
Wenn durch den Mund geatmet wird, dann kann die Zunge nicht in dieser Zungenruhelage liegen, sondern liegt unten im Mund. Denn bei korrekter Zungenruhelage ist Mundatmung nicht möglich, selbst bei geöffnetem Mund.
Bei dauerhafter Mundatmung kann die Zunge ihre formende Wirkung auf den Gaumen nicht mehr ausüben. Je nach Alter des Kindes wächst der Kiefer dadurch schmaler und die bleibenden Zähne sowie die Zunge haben nicht genügend Platz im Kiefer.
Auch umgekehrt kann eine inkorrekte Zungenruhelage die Atmung beeinflussen. Es ist zwar möglich, mit offenem Mund und Zunge am Mundboden mit der Nase zu atmen. Aber meistens stellt sich die Atmung dann auf Mundatmung um.
Was sind Ursachen für Mundatmung? Ist der Schnuller Schuld?
Der Schnuller kann Mundatmung begünstigen, weil die Zunge durch den Sauger nach unten gedrückt wird. Sie kann dadurch ihre natürliche Ruhelage oben am Gaumen nicht einnehmen (siehe vorherige Frage). Außerdem bleiben die Lippen leicht geöffnet, wenn sich ein Schnuller im Mund befindet. Im Artikel „Wie schädlich ist der Schnuller für die Sprachentwicklung“ findest du genauere Zusammenhänge“.
Es gibt noch weitere Ursachen für Mundatmung, zum Beispiel:
- eine vergrößerte Rachenmandel (auch Polypen genannt): Diese kann den hinteren Ausgang der Nase zum Rachen verdecken, so dass das Atmen durch die Nase schwerer oder unmöglich wird
- eine schiefe Nasenscheidewand
- Allergien, die die Nase zuschwellen lassen
- ein zu kurzes Zungenband, weil die Zungenruhelage dann oft nicht mehr bequem eingenommen werden kann
- viele Erkältungen, so dass Mundatmung zur Gewohnheit wird, auch wenn wieder durch die Nase geatmet werden kann.
Mein Kind ist ständig erkältet und die Mundatmung somit unumgänglich. Ist das problematisch?
Je länger durch den Mund geatmet wird, desto mehr gewöhnt sich der Körper an dieses Atemmuster. Irgendwann fühlt sich Nasenatmung nicht mehr „richtig“ an. Viele Mundatmer haben dann das Gefühl, zu wenig Luft durch die Nase zu bekommen, obwohl der Atemweg frei ist.
Erkältungen lassen sich vor allem im Kleinkindalter nicht vermeiden. Wichtig ist in diesen Phasen, dass trotzdem versucht wird, die Nase frei zu bekommen, zum Beispiel durch Kinder-Nasentropfen bzw. Kochsalzlösungen und angefeuchtete Raumluft. Außerdem ist es sinnvoll, wenn ein Kind das Schnäuzen lernt.
Nach der Erkältungsphase kann die Nasenatmung dann spielerisch wieder aktiviert werden.
Eine Sammlung von Spielen zur Förderung der Nasenatmung findest du auch in meinem neuen Buch:
Ida und das Wunder der Atmung – ein Kinderfachbuch über Nasenatmung
Wie kann ich meinem Kind das Schnäuzen zeigen?
Damit durch die Nase geatmet werden kann, muss sie frei sein. Das Schnäuzen bzw. Nase putzen zu lernen, ist also eine gute Idee. Am leichtesten lernt sich dies, wenn dein Kind gerade nicht erkältet ist, der Atemweg durch die Nase also möglich ist.
So zeigst du deinem Kind das Schnäuzen in drei Schritten:
- Feder pusten: Lege etwas Leichtes auf deine Hand, zum Beispiel eine Feder. Überlege mit deinem Kind, wie es die Feder mit geschlossenem Mund anpusten kann, so dass sie wegfliegt. Bestimmt kommt dein Kind schnell auf die Idee, es mit dem Ausatmen durch die Nase zu versuchen.
- Feder mit einem Nasenloch anpusten: Nun könnt ihr versuchen, die Feder wegzupusten, in dem ihr eine Nasenseite zuhaltet. Klappt das auch?
- Ins Taschentuch pusten: Zeige deinem Kind, wie es das Taschentuch über seine Nase legen kann oder halte das Tuch selbst fest. Das eine Nasenloch wird zugehalten. Nun soll dein Kind wie bei der Feder durch die Nase pusten.
Mein Kind atmet nachts durch den Mund. Was kann ich tun?
Zunächst ist es wichtig, organische Ursachen für die Mundatmung auszuschließen, zum Beispiel eine vergrößerte Rachenmandel oder Allergien. Auch das Zungenband sollte kontrolliert werden.
Denn auch wenn ein Kind prinzipiell durch die Nase atmen kann, kann es sein, dass der Atemweg über die Nase verengt ist und deshalb immer wieder auf Mundatmung zurückgegriffen wird.
Wenn die Nase komplett frei ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Nasenatmung zu fördern. Sinnvoll ist hier immer logopädische Begleitung. Bei Babys und Kleinkindern ist es manchmal möglich, den Mund im Schlaf sanft zu schließen (mit leichtem Druck unter dem Kinn). Ältere Kinder können auch von einem Myotape um den Mund profitieren. Diese sollten jedoch nur unter professioneller Begleitung benutzt werden.
Genauso wichtig ist die Förderung der Nasenatmung und der Kiefermuskulatur am Tag, zum Beispiel durch:
- langes Kauen harter Lebensmittel mit geschlossenem Mund
- Beissringe und Kauspielzeuge, zum Beispiel den ARK Grabber
- Riech- und Atemspiele sowie Pustespiele (einige Spielideen beschreibe ich weiter unten im Artikel)
Mein Kind (9 Jahre) lässt die Zungenspitze raushängen, wenn er sich konzentriert. Ist das schlimm?
Zungen- und Handmotorik werden oft gleichzeitig aktiviert. Es wird vermutet, dass sich unsere mündliche Sprache aus Gesten und Gebärden entwickelt hat und daher beides in ähnlichen Hirnregionen angesiedelt ist. Das Herausstrecken der Zunge bei konzentriertem Arbeiten ist daher etwas, das viele Kinder und auch einige Erwachsene unbewusst machen. Dabei wird normalerweise mit der Nase geatmet.
Anders sieht die Zungenhaltung bei Mundatmung aus. Hier ist der Mund permanent offen und die Zunge liegt eher schlaff unten am Mundboden.
Welche Übungen gibt es für zu Hause, um die Nasenatmung zu fördern?
Es gibt verschiedene spielerische Übungen, um die Nasenatmung zu aktivieren, die Zungenruhelage und die Sensibilität im Mundbereich zu steigern bzw. auszugleichen. Sinnvoll ist es allerdings, diese Übungen strukturiert und begleitet im Rahmen einer logopädischen Therapie durchzuführen.
Da ich aber weiß, dass es oft lange Wartezeiten für die Logopädie gibt und viele Eltern aus gutem Grund nicht einfach abwarten wollen, sind hier ein paar Spiel- und Alltagsideen, die Nasenatmung und Zungenruhelage fördern können:
- Riech-Memory: In Schraubgläser werden je zwei gleiche Lebensmittel getan, zum Beispiel Zitronenscheiben, Thymian, Senf, Honig usw. Nun wird mit geschlossenen Augen versucht zu riechen, in welchen Gläsern sich das Gleiche befindet.
- Watte-Fußball: Mit Hilfe der Nasenatmung werden Wattebälle in ein Tor gepustet. Wichtige Regel: Der Mund bleibt geschlossen.
- Ein Lied schnalzen und erraten: Beim Schnalzen wird die Zunge am Gaumen angesaugt. Damit nimmt sie die Position der Ruhelage ein.
Weitere Spiele für Mundmotorik und den Mundschluss findest du hier.
Ist es sinnvoll, die Nasenatmung auch schon bei Babys und Kleinkindern zu fördern?
In jedem Alter ist es sinnvoll, dauerhafte Mundatmung zu verhindern und die korrekte Zungenruhelage zu fördern. Vor allem im Baby- und Kleinkindalter ist der Kiefer noch stark formbar. Die gesamte Gesichtsentwicklung kann durch Mundatmung bei Babys beeinflusst werden. Auch das Wachstum der Nasennebenhöhlen wird durch fehlende Nasenatmung behindert.
Eine gesunde Mund- und Kieferentwicklung kann von Anfang an unterstützt werden, zum Beispiel durch
- Stillen (das ist optimal) oder alternativ die Verwendung von Babyflaschen mit kieferfreundlichem Sauger
- die dosierte Verwendung eines Schnullers (Meine Tipps zum Abgewöhnen des Schnullers für Kinder ab drei Jahren findest du hier.)
- das Ermöglichen von unterschiedlichen Sinneserfahrungen im Mundbereich, zum Beispiel mit Kau- und Beissringen in verschiedenen Texturen
- ab Beikoststart mit dem Anbieten unterschiedlicher Nahrungskonsistenzen
Falls ein Baby oder Kleinkind dauerhaft oder sehr häufig durch den Mund atmet, ohne dass es erkältet ist, ist es sinnvoll, ärztlich nach den Ursachen zu suchen. Ständige Mundatmung ist immer auffällig und verwächst sich meist nicht einfach so.
Trotz vieler Übungen wird die Mundatmung einfach nicht besser. Gibt es ein Zeitfenster, bis es klappen sollte?
Je früher von Mund- auf Nasenatmung umgestellt werden kann, desto besser, weil der Kiefer zunehmend verknöchert und als Erwachsener nicht mehr leicht zu verändern ist. Trotzdem gibt es kein festes Zeitfenster, bei dessen Überschreiten „alles zu spät“ ist.
Die Umstellung auf Nasenatmung kann bei einigen Kindern langwierig sein.
Für die Therapie von Mundschluss, Zungenruhelage, Schlucken und Atmung wird viel Kooperation vom Kind benötigt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass kindgerecht erklärt wird, warum Nasenatmung so wichtig ist und kleine Erfolge auf dem Weg zum Ziel sichtbar gemacht werden. Denn häufig zieht sich eine myofunktionelle Therapie in die Länge, weil das Kind nicht versteht, warum es die Übungen zu Hause machen soll und nicht sieht, welche kleinen Teilziele es schon geschafft hat.
Bei manchen Kindern werden organische Ursachen wie ein zu kurzes Zungenband übersehen, es ist eine kieferorthopädische Behandlung nötig oder der Schnuller oder Daumen kann noch nicht abgewöhnt werden. Viele Kinder haben auch mit wiederkehrenden Erkältungen zu tun, so dass immer wieder auf Mundatmung umgestellt wird. Manchmal ist begleitend Physio- oder Ergotherapie nötig, wenn es gesamtkörperliche Auffälligkeiten gibt.
Die Gründe, weshalb die Umgewöhnung auf Nasenatmung schwer fällt und lange dauern kann, sind also sehr individuell.
Trotz der Wichtigkeit von Nasenatmung und korrekter Zungenruhelage ist es wichtig, keinen Druck auf Kinder auszuüben. Viel leichter lernt es sich, wenn die Erforschung von Mund, Zunge und Atmung spielerisch und mit Neugier erfolgt.
Auch im jugendlichen und erwachsenen Alter kann Nasenatmung angewöhnt werden. Es lohnt sich in jedem Alter, an einer guten Atmung zu arbeiten.
In meinem Buch „Ida und das Wunder der Atmung“ können Kinder zusammen mit Ida und dem Elefanten Elo erleben, wie wichtig Nasenatmung ist.
Ida und das Wunder der Atmung – ein Kinderfachbuch über Nasenatmung
Welche Fortbildungen zur Therapie myofunktioneller Störungen und Mundatmung kannst du empfehlen?
Diese Frage wurde mir von einer Logopädin erzählt. Ich erzähle deshalb hier von Fortbildungen, die sich vor allem an Logopädinnen/Logopäden und verwandte Berufsgruppen richten.
In den letzten Jahren habe ich an mehreren Fortbildungen rund um orofaciale myofunktionelle Störungen teilgenommen, weil sich die Forschung auf diesem Gebiet seit meinem Studium (2001-2005) enorm weiterentwickelt hat. Damals war die myofunktionelle Therapie nach Anita Kittel die einzige Therapiemethode, die ich gelernt und angewendet habe.
Diese aktuellen Fortbildungen kann ich besonders empfehlen:
- Dr. Andrea Freudenberg: Zähne lesen lernen
- Dr. Bianca Wachlin: Myofunktionelle Störungen – aktuelles Fachwissen in Diagnostik und Therapie
- Petra Krätsch-Sievert: AHMA – Abbau habitueller Mundatmung
- Michaela Dreißig: Das zu kurze Zungenband (z. B. über Therakademie)
- Michaela Dreißig: Beruhigungs- und Ernährungssauger
- Michaela Dreißig: Myofunktionelle Therapie bei Kleinkindern
- Carolin Adam: Klappe zu – Die offene Mundhaltung in der Logopädie
Es gibt weitere Fortbildungen zum Thema, die mir von Kolleginnen empfohlen wurden (zum Beispiel die Neurofunktionstherapie von Elke Rogge), die ich noch nicht kenne, die aber auf meiner Fortbildungs-Wunschliste stehen.
Du hast eine Fortbildung zur orofacialen myofunktionellen Therapie besucht, die dich weitergebracht hat? Dann schreib sie gerne in die Kommentare. Ich danke dir!
Weiterführende Blogartikel
Wenn du dich weiter informieren möchtest, findest du hier einen Überblick über Blogartikel von mir, die sich mit Mundmotorik, Atmung und Zunge beschäftigen. Tippe einfach auf das Bild, um zum jeweiligen Artikel zu gelangen.
Hast du eine Frage rund um Mundschluss, Mundatmung und Zungenruhelage, die ich hier nicht beantwortet habe? Dann stelle sie mir gerne in den Kommentaren und ich antworte dir.
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