„Wiebke, hast du Tipps, wie wir die Mundmotorik fördern können? Der Mund von L. steht ständig offen und dran erinnern bringt nichts. Ich habe das Gefühl, dass seine Mund- und Zungenmuskeln zu schwach sind.“
Diese Frage hat mich als Logopädin über Instagram erreicht.
Geht es dir ähnlich?
Dann schaue dir hier wichtige Hintergrundinfos und Spiele für die Mundmotorik und den Mundschluss an und suche die für dich passenden Tipps heraus.
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Inhalt des Artikels
Warum steht der Mund überhaupt offen?
Es ist sinnvoll, genauer hinzuschauen, wenn der Mund eines Kindes immer wieder offen ist. Denn der „Normalzustand“ (wenn wir nicht essen oder reden) sind geschlossene Lippen. Die Zunge liegt dabei oben am Gaumen. Logopäd*innen sprechen vom sogenannten „Ruheplatz“ der Zunge.
Viele Eltern vermuten, dass eine schwache Mundmotorik die Ursache für den fehlenden Mundschluss ist. Doch eine auffällige Mundmotorik ist normalerweise nicht die Ursache, sondern eher eine Folge.
Das eigentliche Problem ist: Mundatmung!
Fast alle Kinder, bei denen der Mund offen steht, atmen nicht über die Nase, sondern durch den Mund.
Bei manchen Kindern gibt es organische Ursachen, die eine Atmung über die Nase verhindern oder erschweren, zum Beispiel:
- Allergien
- vergrößerte Rachenmandel („Polypen“)
- schiefe Nasenscheidewand
- verkürztes Zungenband
Wenn ein Kind nicht oder nur schwer Luft durch die Nase bekommt, steigt es auf Mundatmung um und hat dann zwangsläufig einen offenen Mund. Während einer kurzen Erkältung ist die Mundatmung eine wichtige Notlösung, sollte aber nicht zum Dauerzustand werden.
Manche Kinder haben sich nach einer längeren Erkältungsphase so an die Mundatmung gewöhnt, dass sie diese nicht umstellen, auch wenn die Nase wieder frei ist.
Ständige Mundatmung hat verschiedene negative Folgen, zum Beispiel:
- sind Kinder mit Mundatmung anfälliger für Karies
- und anfälliger für Infekte und MIttelohrentzündungen (ein Teufelskreis)
- haben oft einen unruhigeren Schlaf
- haben eine falsche Zungenruhelage, dadurch zu kleiner Kiefer und Zahnfehlstellungen
- zeigen ein falsches Schluckmuster und eine unausbalancierte Mundmotorik
- dadurch können Zahnfehlstellungen und Auffälligkeiten in der Aussprache entstehen, zum Beispiel Lispeln
Genauer erkläre ich die Zusammenhänge in meinem Artikel „Mundatmung bei Kindern“.
Mein Tipp: Lass ärztlich abklären, ob es organische Ursachen für Mundatmung bei deinem Kind gibt, die behandelt werden müssen.
5 Alltagstipps für eine gute Mundmotorik
Nicht immer kann vermieden werden, dass ein Kind sich einen offenen Mund und Mundatmung angewöhnt. Manche Kinder sind anfälliger für Infekte und können manchmal monatelang nicht durch die Nase atmen.
Was du trotzdem tun kannst, damit sich der Mund deines Kindes möglichst gesund entwickelt:
- Im Babyalter: Stillen oder Flaschensauger mit kleinem Loch verwenden. Durch das Stillen werden die Mundmuskeln optimal gefördert. Wenn du nicht stillst, ist es sinnvoll, eine Flasche mit möglichst kleinem Saugloch zu verwenden. Dadurch strengt sich dein Kind ähnlich wie beim Stillen an.
- Trinkbecher: Verwende am besten einen normalen Becher ohne Schnabel oder ähnlichen Hilfen. Ein Schnabel drückt die Zunge nach unten, so dass keine normale Schluckbewegung möglich ist. Für unterwegs sind auch Becher mit Trinkhalm sinnvoll.
- Kauen: Das Kauen verschiedener Konsistenzen fördert die Wahrnehmung im Mundinnenraum und vor allem härteres Essen unterstützt eine kräftige Kiefermuskulatur. Lies dazu gerne auch mein Interview mit der Logopädin Ann-Cathrin Schmidt über einen bedürfnisorientierten Beikoststart.
- Mit dem Mund entdecken: Der Beginn einer ausbalancierten Mundmotorik liegt im Babyalter. Schon früh erkunden Babys ihre Umgebung auch mit dem Mund. Dies kannst du mit verschiedenen Kau- und Beißringen unterstützen. Auch viele ältere Kinder kauen zur Regulation gerne. Dann sind Kauketten, Kauaufsätze für Stifte und ähnliches eine gute Lösung.
- Schnuller nur geben, wenn er nötig ist: Schnuller sind eine wichtige Regulationshilfe für viele Kinder. Aber gleichzeitig ist der Schnuller ein Fremdkörper im Mund, der verhindert, dass der Mund ganz geschlossen wird und die Zunge an den oberen Gaumen gelegt wird. Jahrelanger Schnullergebrauch kann deshalb eine offene Mundhaltung und Mundatmung verursachen. Mehr Hintergrundinfos und Tipps bekommst du in meinem Artikel: Schnuller und Sprachentwicklung.
3 Spiele für Mundschluss und Nasenatmung
Diese Spiele können dazu beitragen, dass dein Kind die Atmung durch die Nase bewusst wahrnimmt und spielerisch trainiert.
Die Spiele ersetzen natürlich keine logopädische Therapie. Aber sie sind eine spielerische Möglichkeit, die Mundmotorik, Nasenatmung und den Mundschluss auch zu Hause zu fördern.
Spiel 1: Riechspiel
Beim Riechen schließen wir automatisch den Mund, um besser über die Nase riechen zu können. Der Mundschluss und die Nasenatmung werden bei diesem Spiel also ganz nebenbei gefördert.
Material: kleine Schraubgläser mit Deckel, verschiedene Dinge mit Geruch: Duschgel, Honig, Kaffee, Thymian, Curry, Zwiebeln, Zitrone, Tannennadeln, Erde
So geht’s: Fülle mit deinem Kind die Gläser mit den Duftproben. Währenddessen könnt ihr die Duftproben benennen und beschreiben, wie sie für euch riechen. Riecht anschließend mit geschlossenen Augen an einem Glas und ratet, welche Duftprobe enthalten ist.
Variante „Riech-Memory“: Wenn ihr jeweils zwei Gläser mit der gleichen Duftprobe füllt, könnt ihr Riech-Memory spielen.
Spiel 2: Wo bin ich?
Dieses Spiel macht in der Gruppe besonders viel Spaß.
Material: Ein Schal, um die Augen zu verbinden
So geht’s: Einem Freiwilligen werden die Augen verbunden. Nach mehrmaligem Drehen wird er in einen anderen Raum geführt. Kann er übers Riechen herausfinden, wo er sich befindet? Wie riecht die Küche im Gegensatz zum Badezimmer?
Spiel 3: Feder weiterpusten
Material: Bastelfedern (alternativ: Watte oder Pompom)
So geht‘s: Lege die Feder auf deine Hand und puste sie an, in dem du durch die Nase ausatmest. Kannst du die Feder von deiner Hand pusten?
Nun kann dein Kind ausprobieren, ob es die Feder von der Hand pusten kann. Dabei kann es ausprobieren, mit dem Mund und mit der Nase zu pusten. Was ist einfacher?
Variante 1: Puste die Feder von deiner Hand zur Hand deines Kindes. Nun pustet dein Kind die Feder zurück. Wieviele Wechsel schafft ihr?
Variante 2: Stelle ein Tor am Ende des Tisches auf. Wer kann seine Feder als Erster ins Tor pusten, ohne dass durch den Mund geatmet wird?
3 Spiele für die Mundmotorik
Diese Spiele können dazu beitragen, dass dein Kind Mund, Lippen, Zunge und Atmung besser wahrnimmt. Dadurch fällt es ihm leichter, wahrzunehmen, wann sein Mund offen ist und wo sich seine Zunge befindet.
Spiel 1: Puste-Schmetterling
Beim Pusten durch einen Trinkhalm wird die Wahrnehmung für den Mund und das Zusammenspiel von Atmung, Mund und Zunge gefördert.
Material: Papier, Stifte, Papierstreifen 3×5 cm, Trinkhalm, Schere, Klebeband
So geht‘s: Male einen Schmetterling auf ein Blatt Papier und schneide ihn aus.
Wickel anschließend den Papierstreifen locker um den Trinkhalm und klebt ihn mit Klebeband zu einer Rolle. Ziehe die Papierrolle vom Strohhalm ab und klebe das eine Ende mit Klebeband gut zu. Klebe die Papierrolle mit dem offenen Ende nach unten auf die Rückseite des Schmetterlings.
Nun kann dein Kind den Schmetterling mit der Papierrolle auf den Trinkhalm schieben und in den Trinkhalm pusten. Schon fliegt der Schmetterling los!
Tipp: Dein Kind mag auch gerne Mondraketen? Hier habe ich eine Anleitung für eine Puste-Rakete mit kostenlosem Download.
Spiel 2: Kussmundbilder
Bei diesem einfachen Malprojekt kann dein Kind seine Lippen spüren und die Lippenrundung spielerisch üben.
Material: Lippenstift, Papier
So geht’s: Male deinem Kind Lippenstift auf die Lippen – dabei kann dein Kind seine Lippen bewusst wahrnehmen. Nun kann dein Kind Kussmünder auf dem Papier verteilen.
Probiert aus: Wie sehen die Kussmünder aus, wenn die Lippen geschlossen sind und wenn sie geöffnet sind? Könnt ihr ganz runde Kussmünder formen oder einen ganz breiten Mund?
Spiel 3: Puffreis-Würfelspiel
Dieses Spiel fördert die Wahrnehmung und Kraftdosierung von Lippen und Zunge.
Hinweis: Spiele das Spiel nur mit Kindern über 4 Jahren, im Sitzen und nur unter deiner Aufsicht, so dass du direkt reagieren kannst, falls sich ein Kind verschlucken sollte.
Material: Puffreis oder Haferflecks, Zahlenwürfel
So geht‘s: Lege vor jeden Mitspieler ca. 20 Puffreiskugeln auf den Tisch.
Abwechselnd wird gewürfelt. Die Augenzahl bestimmt, wie viele Puffreiskugeln mit den Lippen aufgesammelt werden müssen, ohne die Hände zu benutzen. Wer hat als erstes alles aufgesammelt?
Noch schwerer wird es, wenn der Puffreis nur mit der Zunge gesammelt wird.
Das waren meine Spielideen und Alltagstipps für die Mundmotorik. Ich wünsche dir und deinem Kind viel Spaß beim Ausprobieren!
Herzliche Grüße, Wiebke
Über 100 weitere Spielideen zur Sprachförderung (vom Wortschatz bis zur Aussprache) findest du in meinem Buch Spielen, Sprechen, Spaß haben!
Inklusive Begleitvideos, wertvollen Tipps und ganz viel Spielmaterial zum Download.
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