Jedes Kind hat sein eigenes Tempo, oder?

Jedes Kind hat doch sein eigenes Tempo, oder?

„Ich finde, es wird zu viel Druck aufgebaut. Jedes Kind hat doch sein eigenes Tempo, oder? Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht…“

Diese Sätze standen als Kommentar unter einem Facebook-Post, in dem eine Mutter sich Sorgen gemacht hat, weil ihr Kind mit drei Jahren nur wenige Worte spricht.

Ich habe damals kurz geantwortet und will hier auf meinem Blog nochmal ausführlicher auf diesen Kommentar eingehen. Denn wahrscheinlich bekommst du ähnliche Ratschläge, wenn dein Kind eine auffällige Sprachentwicklung hat.

Was Eltern Druck macht

Der Kommentar soll bestimmt helfen, trösten und beruhigen. Das ist verständlich, denn es ist ja wirklich so: Viele Eltern stehen unter hohem Druck. Und ganz klar: Unter Druck lernt es sich nicht gut.

Aber hilft so ein Kommentar tatsächlich, Druck zu nehmen?

Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass solche vermeintlich tröstenden Worte nicht wirklich weiterhelfen. Auch Lea erzählt im Interview hier auf dem Blog davon, wie schwierig für sie diese angeblich beruhigenden Ratschläge sind:

Diese ganzen Kommentare waren wirklich schwierig. „Was hast du denn, dein Kind ist doch gesund!“ haben immer alle gesagt. Wenn er dann mal ein neues Wort gelernt hat, kam gleich: „Siehste, du hast dir umsonst Sorgen gemacht.“ Solche Sprüche kommen auch jetzt noch. Dass Lenny seit einem Jahr zur Logopädie geht und sich jedes Wort hart erkämpft, das wird nicht gesehen.

Lea im Interview über ihren Sohn mit Verbaler Entwicklungsdyspraxie

Der Ratschlag „Mach dir nicht so viel Druck!“ hilft hier also nicht weiter. Denn das unruhige Bauchgefühl („Da ist was nicht in Ordnung!“) bleibt ja und lässt sich nicht einfach weg-ratschlagen. Zusätzlich belastet das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden.

Was hilft wirklich gegen Druck?

Mir selbst nimmt es Druck, wenn ich mich mit meinen Sorgen gesehen fühle. Und es hilft mir, mich zu informieren und zu wissen, was ich tun kann und wo meine Grenzen sind.

Das ist auch der Grund, warum ich hier auf diesem Blog für Eltern schreibe – um genau an diesem Punkt mein Fachwissen als Logopädin teilen und unterstützen zu können.

Hat jedes Kind sein eigenes Tempo?

Es ist gut, Kindern Zeit für ihr eigenes Tempo zu lassen. Denn es stimmt: Die Sprache entwickelt sich nicht bei jedem Kind zum exakt gleichen Zeitpunkt.

Ein sehr anschauliches Beispiel ist die Wortschatzentwicklung: In einer Studie von Bates et al. (1994) wurde bei Kindern mit 16 Monaten ein Wortschatz zwischen 0 und 347 Wörtern festgestellt – eine riesige Bandbreite! Mehr dazu im Artikel „Ab wann können Kinder erste Worte sprechen“.

Allerdings ist es gleichzeitig wichtig, bei den Kindern genauer hinzuschauen, die sehr viel später zu sprechen beginnen oder eine auffällige Aussprache oder Grammatikentwicklung zeigen:

  • Stimmen die Rahmenbedingungen, um gut sprechen zu lernen? Kann das Kind zum Beispiel gut hören?
  • Braucht das Kind einfach noch etwas Zeit oder ist es wichtig, dass es Unterstützung bekommt?
  • Leidet das Kind darunter, dass es sich nicht so mitteilen kann, wie es will?

Ein Hinschauen bei Warnzeichen (zum Beispiel durch einen ein Hörtest und eine logopädische Diagnostik/Beratung) bedeutet meiner Meinung nach nicht, einem Kind sein eigenes Tempo nicht zu lassen. Sondern ein rechtzeitiges Hinschauen hilft Kindern, die wirklich Hilfe brauchen, nicht übersehen zu werden.

Das ist Chancengleichheit und kein „am Gras ziehen“.


Was denkst du dazu? Schreibe mir deine Meinung gerne als Kommentar unter diesen Blogartikel (zur Kommentarsektion einfach etwas nach unten scrollen).

Ich freue mich, von dir zu hören!


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Wiebke Schomaker Logopädin

Hallo, hier schreibt Wiebke!

Ich bin Logopädin, Autorin dieses Blogs und Mutter von drei Kindern. Hier findest du Infos zur Sprachentwicklung und Tipps, wie du dein Kind beim Sprechenlernen kompetent und spielerisch begleiten kannst.

Viel Spaß beim Lesen! 🤩

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