Interview über die Sprachentwicklungsstörung

Interview: Wenn Sorgen nicht ernst genommen werden

Christinas dreijähriger Sohn hat eine Sprachentwicklungsstörung. Schon früh hat Christina bemerkt, dass sich die Sprache ihres Sohnes auffällig entwickelt.

Im Interview erzählt sie, wie sie dafür kämpfen musste, in ihrer Sorge ernst genommen zu werden und Hilfe zu bekommen.

Christina, wann ist dir aufgefallen, dass die Sprachentwicklung deines Sohnes verzögert ist?

Mein Sohn kam mit 13 Monaten in die Krippe und war ab dem Zeitpunkt quasi dauerkrank. Vor allem hatte er dann ständig diese Paukenergüsse und bestimmt zweimal im Monat eine neue Mittelohrentzündung.

Ich hatte das Gefühl, er hört mich überhaupt nicht mehr richtig. Er hat zwar schon reagiert. Aber es war jetzt nie so, dass ich das Gefühl hatte, er spricht mir nach. Andere Kinder in unserem Kindergarten haben dann angefangen, Wörter, die sie einmal gehört haben, einfach nachzusprechen. Das hat mein Sohn nie gemacht.

Ich bin dann zum Kinderarzt und zum HNO-Arzt gegangen, aber die haben nur gesagt: „Ist halt ein Paukenerguss.“ Ich wollte gerne eine OP für Röhrchen im Trommelfell und die Polypen entfernen lassen, aber der HNO-Arzt meinte, so junge Kinder operiert er nicht.

Bei jeder Kontrolle hieß es: Paukenerguss ist immer noch da. Und die Hörtests waren unterirdisch. Ich habe weiter gedrängt, dass er die OP bekommen soll und mit knapp 2 Jahren wurde er dann endlich operiert.

Nach der OP hat der HNO-Arzt gesagt, es war gut, dass er operiert hat. Denn er hätte bei so einem kleinen Kind noch nie so riesige Polypen gesehen und noch nie so extrem viel Eiter. Also das war kein Wasser im Ohr, das war Eiter! Dadurch hat mein Sohn monatelang so gut wie nichts gehört, als hätte er Schallschutzkopfhörer aufgehabt.

Hat sich die Sprachentwicklung nach der OP verbessert?

Ja, es wurde etwas besser. Aber aufgeholt hat er die Verzögerung trotzdem nicht. Ich habe den HNO-Arzt dann auch nach Logopädie für Late Talker gefragt. Aber er meinte, vor 4 Jahren würde Logopädie keinen Sinn machen. Auch andere haben zu mir gesagt: “Was machst du dir für einen Stress?“

Ich war mir selbst nicht sicher, ob ich mir das nur einbilde. Denn eine sehr gute Freundin hat ein Kind, das nur zwei Wochen älter als mein Sohn ist. Er spricht wie ein Vorschulkind und hat auch schon super früh mit zwei Jahren vollständige Sätze gebildet. Dieser Vergleich war schwierig. Ich kannte kein anderes Kind, das mit seiner Sprachentwicklung so zurück war wie mein Sohn.

Schließlich war ich dann zweimal in der Klinik für Phonologie und Pädaudiologie in Erlangen. Dort wurde ich endlich ernst genommen und es wurde bestätigt, dass mein Sohn eine Phonologische Störung und Dysgrammatismus hat.

Das habe ich meinem Kinderarzt erzählt, damit er meinem Sohn Logopädie verschreibt. Und die Reaktion des Arztes war: „Ich soll ihm doch einfach Bücher vorlesen, dann stimme auch die Grammatik.“

Wie hast du reagiert, als der Arzt meinte: „Einfach Bücher vorlesen“?

Da musste ich echt schlucken, denn offenbar war ich laut Arzt Schuld daran, dass mein Sohn Dysgrammatismus hat. Der Arzt hat mir damit vermittelt, dass ich ein ganz schlechtes Sprachvorbild wäre.

Ich habe dann überlegt, ob ich mit dem Arzt diskutieren soll, aber hab es dann gelassen. Die eine Seite von mir wusste, das ist Quatsch. Die andere Seite von mir, die emotionale Seite, fühlte sich echt schrecklich und ich habe mir riesige Vorwürfe gemacht, ob ich doch etwas falsch gemacht habe.

Denn ich höre ja ständig von anderen Eltern: „Ja, also ich rede ja mit meinem Kind einfach ganz viel und dann kommt das von ganz alleine.“ Und wenn dann ein promovierter Arzt zu einem sagt, ich soll einfach was vorlesen und dann kommt das schon, dann fühle ich mich als schlechte Mutter.

Aber es ist ja nicht so, dass ich mit meinem Kind nicht spreche. Im Gegenteil, ich habe mich wirklich in das Thema eingelesen, habe mich bei Instagram-Accounts von Logopäden informiert, mehrere Coachings und Kurse privat bezahlt und deinen Blog entdeckt. Hier habe ich richtig viel gelernt, vor allem deinen Artikel zur Entwicklung der Grammatik habe ich schon mehrmals gelesen. Der hilft mir total weiter, damit ich besser einordnen kann: Wo steht mein Kind gerade und was ist der nächste Schritt in der Grammatik?

Auch mit unserer Logopädin tausche ich mich oft aus und sie gibt mir viele Tipps, wie ich meinen Sohn zu Hause fördern kann.

Bekommt dein Sohn inzwischen logopädische Therapie?

Ja, vom Kinderarzt habe ich schließlich eine Verordnung bekommen und bei einer Logopädin einmal im Monat einen Platz bekommen. Bei ihr war ich früher schonmal zur Beratung, als ich mir so große Sorgen gemacht habe, weil mein Sohn nicht angefangen hat zu sprechen. Sie hat mir damals echt geholfen.

Im Winter ist die Therapie wegen Krankheit allerdings vier Monate lang ausgefallen. Also versuche ich ihn zu Hause zu fördern, so gut es geht.

Ich versuche den ganzen Tag, mir zu überlegen, was wir Schönes spielen können, bei dem ich seine Sprache fördern kann. Und ich achte gleichzeitig darauf, dass er weiterhin Sprechfreude hat.

Das ist echt schwierig. Ich liebe mein Kind über alles und an manchen Tagen denke ich mir auch, wie sehr habe ich mich auf diese Phase gefreut, in der mein Kind sprechen lernt, man sich unterhalten kann, man sich versteht, in der man nicht rätseln muss, was er meint.

Seit zwei Wochen bekommen wir zum Glück einmal in der Woche Logopädie. Deshalb hoffe ich, dass es jetzt etwas mehr vorangeht und die Fortschritte kommen. Er macht auf jeden Fall sehr gut und konzentriert mit, sagt die Logopädin.

Wie spricht dein Kind jetzt?

Ganz lange haben wir an Sätzen gearbeitet. Das klappt jetzt immer besser und er beginnt auch, Artikel einzusetzen. Die sind zwar noch nicht richtig, aber Hauptsache, er benutzt überhaupt welche.

Mein Sohn braucht viel mehr Input als andere Kinder. Wenn das Kind meiner Freundin sagt: „Ich bin die Treppe runtergeht.“ und meine Freundin sagt dann: „Stimmt, du bist die Treppe runtergegangen.“ dann merkt sich ihr Kind das sofort. Mein Sohn braucht viel mehr Wiederholungen, damit er sich die richtige Grammatik speichern kann.

Wegen seiner phonologischen Störung ist er sehr schwer verständlich für andere. Er vertauscht zum Beispiel T mit K und noch viele weitere Laute.

Ich versuche immer, für ihn zu übersetzen, wenn andere ihn nicht verstehen. Denn ich habe wirklich Angst, dass er seine Sprechfreude verliert, weil ihn niemand versteht, und dann das Sprechen einstellt. Und er ist auch schon verständlicher geworden, haben mir die Erzieherinnen zurückgemeldet. Ich merke auch, dass er immer besser verstanden wird.

Inzwischen habe ich auch eine kleine Tochter. Bei ihr ist die Sprachentwicklung völlig anders. Sie plappert ganz viel und kann schon jetzt ein paar Wörter sprechen. So einfach war das bei meinem Sohn nie. Auch er wollte sich mitteilen und reden, aber ihm haben die Wörter gefehlt.

Was findest du besonders schwierig?

Dass es keine Prognose gibt und ich nicht weiß, wann es besser wird. Wenn ich eine Glaskugel hätte und wüsste: „In zwei Jahren hat die ganze Anstrengung gewirkt und er kann gut sprechen“, dann wäre ich jetzt entspannter. Für jeden Fortschritt muss er so hart arbeiten.

Was ich auch schlimm finde, ist, dass mich keiner versteht. Wenn ich zum Beispiel anderen Eltern erzähle, dass er T mit K ersetzt, dann sagen sie: „Ja, aber Kinder vertauschen halt Laute.“ Wenn ich dann sage: „Ja, aber nicht auf diese Art, das verwächst sich nicht einfach“, dann kommt als Antwort: „Aber jedes Kind ist doch verschieden.“

Christina und ihr Sohn am See. Sprachentwicklungsstörungen können Kinder und Eltern stark belasten.

Diese Antworten sollen oft trösten. Aber leider helfen sie nicht weiter, oder?

Nein, gar nicht. Ich fühle mich dann noch schlechter, weil ich anscheinend total übertreibe und eine Helikopter-Mama bin. Aber ich habe mich ja informiert und weiß, dass er eine Sprachentwicklungsstörung hat, die nicht von alleine einfach weggeht.

Das Problem ist, dass andere Erwachsene nicht aushalten können, wenn jemand negative Gefühle hat. Sie wollen es einem dann ausreden. Aber das hilft halt nicht.

Was ich auch schlimm finde, ist, wenn jemand sagt: „Sprachentwicklungsstörungen sind vor allem genetisch bedingt.“ Dann bekomme ich das Gefühl, dass bei uns anscheinend alles falsch gelaufen ist: Ich habe anscheinend schlechte Gene weitergegeben und dass ich ihn in die Krippe gegeben habe, war anscheinend auch falsch.

Das heißt: Die Sprachentwicklungsstörung beeinflusst nicht nur die Sprache deines Sohnes, sondern auch du selbst fühlst dich dadurch sehr belastet?

Ja, genau. Manchmal habe ich wirklich keine Lust mehr, darüber nachzudenken, wie ich ihn noch besser fördern kann. Gleichzeitig habe ich Angst, dass er die Sprachentwicklungsstörung nicht vollständig aufholt.

Ich denke jetzt schon an seine Zukunft und überlege, ob er die gleichen Chancen haben wird wie andere Kinder.

Hast du Tipps für andere Eltern, die sich auch Sorgen um die Sprachentwicklung ihres Kindes machen?

Meine Tipps sind:

  • Aufs Bauchgefühl hören. Wenn du denkst, dass da etwas nicht in Ordnung ist mit der Sprachentwicklung, dann bleib unbedingt dran. Wenn ich nicht so hartnäckig die OP für die Paukenergüsse und Polypen gefordert hätte, dann wäre er jetzt noch nicht operiert worden.
  • Dickes Fell wachsen lassen gegen blöde Kommentare von anderen Leuten und Fachpersonal
  • Ganz viel ins Thema einlesen und daheim so viel möglich fördern. Mir haben da auch die Instagram-Accounts von Logopäden sehr geholfen. Ich habe mich da verstanden gefühlt und mir haben die Tipps schon oft weitergeholfen. Denn wichtig ist, sich selbst zu informieren und für sein Kind einzustehen.

Christina, ich danke dir sehr für deinen Einblick in eure Situation. Viele Eltern denken, dass sie ganz allein mit ihren Gefühlen und Gedanken über die Sprachentwicklungsstörung ihres Kindes sind.

Mit deinem Interview hilfst du vielen Eltern mit sprachauffälligen Kindern, sich weniger einsam und verstandener zu fühlen. Danke!


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21 Kommentare zu „Interview: Wenn Sorgen nicht ernst genommen werden“

  1. Pingback: KW12/2024: Alle TCS-Blogartikel - The Content Society

  2. Es ist sozusagen auch der Standardsatz auf Facebook und Co., wenn eine Mutter ihre Bedenken bzgl. der Sprachentwicklung äußern.

    Lies halt viel vor und erkläre alles, was du tust.

    Ich war nie in der Situation, kann mir aber gut vorstellen, wie blöd sich das anfühlen muss, vor allem, wenn man das doch sowieso schon tut.

    Das Thema ist doch viel komplexer und bedarf einer ganz individuellen Betrachtung.

    1. Liebe Ariane,

      ja, diese Tipps wie „Viel vorlesen und alles sprachlich begleiten“ lese ich bei Facebook auch immer wieder unter Elternposts. Für viele Kinder sind das auch gute Sprachfördertipps. Aber du hast völlig recht: Bei einem Kind mit einer Sprachentwicklungsstörung ist das Ganze komplexer und die Tipps sind viel zu allgemein, als dass sie einem Kind mit SES ausreichend helfen könnten.

      Vielen Dank fürs Lesen und deinen emphatischen Kommentar.
      Herzliche Grüße
      Wiebke

    2. Liebe Ariane,

      danke für deinen Kommentar – er ist leider so wahr! Auch von Fachpersonen, wie ÄrztInnen, kommt dieser Spruch sehr häufig, das ist tatsächlich am erniedrigendsten. Im Umkehrschluss wird dem Elternteil dadurch ja unterstellt, dass nicht ausreichend oder gut genug mit den Kindern kommuniziert wird und man selbst Schuld ist, wodurch die Schuldgefühle noch größer werden. Meist wird noch der Satz „und die Medien weglassen!“ hinterhergeschoben.

      Dass viele Eltern aber monate- oder jahrelang auf einen OP Termin für ihre Kinder warten müssen, weil HNO Ärzte den zu schlecht bezahlten Eingriff nicht machen wollen, darüber spricht dann selbstverständlich kein Arzt…

      Uns hätte sehr wahrscheinlich viel erspart bleiben können, wenn ich nicht monatelang für den Eingriff hätte kämpfen müssen.. Aber was wissen wir Eltern schon.. 🙄

      Liebe Grüße

      Christina

    3. Liebe Christina,
      es ist so bitter zu lesen, dass das mütterliche Bauchgefühl so lange nicht ernst genommen wurde. Gerade wir Mütter kennen doch unsere Kinder am Allerbesten. Ich wünsche Euch alles Gute für Euren weiteren Weg.
      Liebe Grüße
      Carina

      1. Liebe Carina,

        ich glaube das hat zwei Gründe: die Fachpersonen sind der Meinung, dass sie es besser wissen und es schon immer so gemacht haben, obwohl es gar nicht deren Schwerpunkt ist.
        Und daran, dass die derzeitige Gesellschaft alles sofort als „Helikopter“ abstempelt. die Kombination führt dann dazu, dass man gegen Windmühlen ankämpfen muss..

        Liebe Grüße

        Christina

  3. Liebe Wiebke, liebe Christina,

    herzlichen Dank für dieses berührende und aufschlussreiche Interview! Davon kann es nicht genug geben, denn Eltern von Kindern mit Entwicklungsverzögerungen oder -beeinträchtigungen fühlen sich in aller Regel sehr alleine. Bagatellisierungen sowohl von Ärzten als auch von anderen Eltern kenne ich aus meiner Zeit in einer heilpädagogischen Förderpraxis nur allzu gut. Ich denke, du, Christina, hast einen wichtigen Punkt getroffen:

    „Erwachsene halten es nicht gut aus, wenn jemand negative Gefühle hat“.

    Unsere Gesellschaft hat oft Schwierigkeiten, mit negativen Gefühlen umzugehen. Wir sind darauf konditioniert, Unbehagen zu vermeiden und sofortige Lösungen zu suchen.

    Gerade im Umgang mit einschneidenden Lebensereignissen – und die Diagnose einer Sprachentwicklungsstörung gehört dazu – ist es jedoch entscheidend, Raum für alle Gefühle zu lassen – sowohl für Dein Kind als auch für Dich. Achtsamkeit und Mitgefühl helfen uns, präsent zu bleiben und die Gefühle alle auftauchenden Gefühle anzuerkennen, ohne sie wegzuschieben.

    Dein offener und differenzierter Umgang mit den Herausforderungen ist unglaublich wertvoll. Danke für diese Einblicke in euer (Innen-)Leben.

    Alles Liebe und Gute für dich und deinen Sohn!
    Pia

    1. Liebe Pia,

      vielen Dank für deine wertschätzenden Worte!

      Tatsächlich bin ich, und das muss ich zugeben, beim Thema Gefühle auch erst durch meine Kinder so feinfühlig und reflektiert geworden, zuvor bin ich in diese „alles wird gut“ Falle meinen Mitmenschen gegenüber selbst sehr oft getreten. Weil man es auch einfach so vorgelebt bekommen hat und es über Jahre nie wirklich hinterfragt hat.
      Die meisten meinen es ja sogar gut, aber das Aushalten der Gefühle habe ich auch erst wirklich durch meine Kinder gelernt und bin so Erwachsenen gegenüber ebenfalls kompetenter geworden.

      Die größte Herausforderung ist aber die Akzeptanz der eigenen Gefühle, gerade wenn ich mir manchmal wünsche, es genauso „leicht“ wie andere Eltern zu haben (was natürlich auch super undifferenziert ist, weil jeder sein Päckchen zu tragen hat), fühle ich mich automatisch wieder schlecht.

      Das Gefühlsthema ist als Elternteil mindestens ein so herausfordernder Lernprozess wie die Sprachentwicklung selbst 😄

      Liebe Grüße

      Christina

  4. Ich habe selber keine Kinder, aber das Thema Spracherwerb finde ich sehr spannend – während meines Anglistikstudiums kam es im Bereich Linguistik am Rande dran.
    Liebe Christina, deine Erfahrung, dass die OP tatsächlich nötig war, ist gerade in Zeiten des um sich greifenden Misstrauens gegenüber der Medizin (Impfskepsis etc.) ein wichtiger Beitrag, der sicher auch anderen Eltern hilft. Alles Gute für deinen Sohn und dich auf eurem Weg zur Sprache!
    Liebe Wiebke, vielen Dank für das interessante Interview!

    1. Liebe Birgit,

      ja die Kluft zwischen „ich will Hilfe, bekomme aber keine“ und „die wollen mir irgendwas aufschwatzen, was wir gar nicht brauchen“ wird gefühlt immer größer.
      Bei machen KinderärztInnen muss man betteln und andere sind informiert, aber die Eltern wollen davon nichts wissen, weil „ihr Kind ist schließlich nicht behindert“ (Zitat aus meinem Umkreis).

      Danke, dass du so offen dem Thema gegenüber bist 🙏🏻

      Liebe Grüße Christina

  5. Liebe Christina,
    es tut mir leid, dass es bei Dir so gelaufen ist. Bei meiner Tochter war es ähnlich, sie hat kaum und nur schwer verständlich gesprochen, während der große Bruder in einem ähnlichen Alter schon grammatikalisch einwandfreie Schachtelsätze rausgehauen hat. Sie war ständig heftig erkältet und wir Stammgäste bei unserer Kinderärztin. Diese hat sofort reagiert, als ich meinte, irgendwas stimmt nicht. Und uns zusätzlich zur Logopädie zur einer heilpädagogischen Praxis mit Schwerpunkt auf Sprache geschickt. Spannender Weise wurde die Therapie dort nicht über die Krankenkasse sondern über die Stadt abgerechnet, weil die ein Budget zur Verhinderung von Behinderungen haben. Wie das genau ging, kann ich gerne noch mal nachsehen. Schicke mir gerne eine Mail.
    In dieser Praxis wurde, denke ich heute, vor allem ihr Selbstbewusstsein gestärkt. Mit jetzt fast acht quasselt sie wie ein Wasserfall, ist in Deutsch eine eins und von Sprachverzögerung ist nichts mehr zu merken.
    Vielleicht ist das noch eine Idee für deinen Sohn? Mich ärgert es immer ziemlich, wenn ich höre, dass besonders Ärzte aber auch Pädagogen auf das Gefühl von Eltern nicht vertrauen. Sie kennen ihre Kinder schließlich am besten und spüren früh, wenn etwas nicht stimmt.
    Alles Liebe und Gute für Dich und Deine Familie,
    Hilke

    1. Liebe Hilke,

      danke für deinen Erfahrungsbericht! Dass manche Städte das anbieten wusste ich tatsächlich nicht, habe ich hier bei uns auch noch nicht gehört.. Finde ich jedoch wirklich toll!

      Ich habe zum Glück Verordnungen erhalten und würde im Zweifel auch aus der Phoniatrie weitere erhalten, da habe ich meine Mittel und Wege gefunden (der HNO weigert sich nach wie vor, der Kinderarzt macht es widerwillig, aber das ist mir egal, Hauptsache wir haben die Option).

      Am Selbstbewusstsein und der Sprachfreude mangelt es bei uns (zum Glück!) nicht, darauf habe ich sehr viel Wert gelegt und versucht immer möglichst viel aus dem Kontext oder der Umgebung zu verstehen, um ihm am Laufen/Sprechen zu halten. Diese Taktik ging zum Glück auf, dafür bin ich unglaublich dankbar!

      Das Interview haben wir im März geführt, jetzt (es ist Juni) haben wir sogar mal 8 Wochen Logopause, weil er eine so tolle Entwicklung hingelegt hat 🥹 Auch wenn noch nicht alles perfekt ist, er hat die letzten Monate unglaublich viel aufholen können, auch wenn es wirklich viel Arbeit war und wir noch lange nicht am Ziel sind.

      Ich hoffe es wird bei uns so wie bei deiner Tochter!

      Es ist wirklich toll, was ihr geschafft habt!

      Liebe Grüße

      Christina

  6. Eines meiner Kinder ist Legastheniker. Und heute ein erwachsener junger Mann, der seinen Weg gemacht hat. Aber es waren schon harte Zeiten. Und die begannen mit der Diagnose und dem Kampf um Förderung, Kostenübernahme, Förderplätze und wirklich dummen Lehrern mit dummen Aussagen, die sich für Allwissend und damit superkompetent in allen Einschätzungen hielten. Eine unglaublich anstrengende Zeit, dem Kind nicht die Schule vermiesen zu lassen, Mut zu machen, bei Laune zu halten, viele Extrastunden in Arzt- und Therapiepraxen usw.
    Das Schulsystem stempelt so schnell als „behindert und untauglich“ ab und das Bewertungssystem ist unsagbar starr. Uns hat ein Schulwechsel geholfen, bei dem bis Klasse 6 Textbewertungen und Lernentwicklungsgepräche mit „Stärken-Rad“ zum Standard gehörten und der Blick zuerst auf das gelenkt wurde, was gut lief, wo der Schüler auch als Persönlichkeit gesehen und gelobt wurde. Das war ein Gamechanger. Als dann die Förderung nicht mehr bezahlt wurde, habe ich dann ein Programm gefunden, dass ein amerk. Vater für seine Tochter entwickelt hatte. Die beste Investition aus der Zeit. Ich denke auch, dass immer individuell geschaut werden muss. Was Hans gut tut, muß bei Hänschen halt nicht auch klappen.

    1. Liebe Sam,

      danke für deinen Erfahrungsbericht!

      Einer der Gründe, warum ich schon in so jungen Jahren dahinter bleibe um Hilfe zu bekommen, ist das erhöhte Risiko der Legasthenie bei SES Kindern. Ich sehe das in der Arbeit (mit Azubis und Berufsschulen) und auch im privaten Umfeld mit Betroffenen so oft, dass die Schublade so schnell geöffnet und wieder geschlossen wird. Ich stelle mir das unglaublich schwierig vor, sowohl als Kind, als auch als Elternteil.
      Tatsächlich überlege ich jetzt schon, ob zukünftig nicht zB eine Montessorischule besser wäre. Diese sind aber 25km einfach entfernt und die Busverbindungen eine Katastrophe.

      Ich finde es unglaublich toll, dass du dein Kind so unterstützt und kreative Wege gefunden hast! Das macht mir wirklich Mut!

      Alles Gute euch!

      Christina

  7. Liebe Wiebke, ich finde es so toll, dass du Christina hier zu Gehör kommen lässt. Ihre Geschichte ist wirklich herzzerreißend und es ist wichtig zu zeigen, wie verletzend „gut gemeinte“ Sprüche sein können.

    Und liebe Christina, aus Erfahrung in anderen Zusammenhängen möchte ich dir sagen, dass es mir leid tut, dass du dir ein dickes Fell wachsen lassen musstest. Wie du dich für deinen Sohn einsetzt, ist super beeindruckend und ich wünsche euch beiden von Herzen, dass diese Anstrengungen sich auszahlen werden!

    Alles Liebe
    Angela

    1. Liebe Angela,

      danke für deine lieben Worte!

      Ich hoffe auch sehr, dass es sich auszahlen wird und er irgendwann vollständig ausgeholt hat. Ich würde es mir so sehr für ihn wünschen 🙏🏻
      Lieber muss ich mir ein dickes Fell wachsen lassen, als mein Sohn. Ich hoffe ich kann meine Kids zumindest in diesem Thema ausreichend unterstützen und so auch „schützen“. Wenn ich lese was manche Lehrkräfte auch in diesem Bezug von sich geben wird mir schon himmelangst, sollte er bis dahin nicht vollständig ausgeholt haben..

      Liebe Grüße

      Christina

  8. Es ist so schade, hartnäckig und stur bleiben zu müssen, wenn etwas offensichtlich nicht stimmt. Gerade Ärzte sollten die Eltern doch mehr auffangen statt abzuwiegeln. Wie gut, dass Christina stark geblieben ist und nicht aufgegeben hat!

    1. Liebe Elisabeth,

      ja das ist wirklich schade, aber gerade bei der Sprachentwicklung leider eher die Regel als die Ausnahme..

      Viele Grüße

      Christina

  9. Liebe Christina,
    dein Artikel berührt mich sehr. Zu den behandelnden Ärzten sage ich mal besser nichts, außer: Beruf leider verfehlt, dafür aber eine 1 im Abi.
    Du machst alles richtig und bist eine ganz tolle und liebe Mama. Du hörst auf den Bauchgefühl, bleibst dran und gibst nicht auf. Dein Kind wird dir das eines Tages von Herzen danken.
    Ich hoffe, ganz viele lesen deinen Bericht und ich wünsche dir und allen anderen auch , dass endlich bedarfsgerecht von Ärzten und Therapeuten behandelt wird.
    Herzlichen Gruß, Birgit

    1. Liebe Birgit,

      ich freue mich, dass du zum Interview gefunden hast und danke für deine lieben Worte. Wiebke macht sich so viel Arbeit um solch wichtigen Themen sichtbar zu machen 🙏🏻

      Ich hoffe wirklich so sehr, dass er möglichst viel mit professioneller Hilfe aufholen kann.
      Und ja, manche Ärzte sollten tatsächlich den Beruf oder wenigstens den Schwerpunkt ändern, bzw. müsste das Studium angepasst werden (das gilt allerdings für mehrere Bereiche..)

      Liebe Grüße

      Christina

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Wiebke Schomaker Logopädin

Hallo, hier schreibt Wiebke!

Ich bin Logopädin, Autorin dieses Blogs und Mutter von drei Kindern. Hier findest du Infos zur Sprachentwicklung und Tipps, wie du dein Kind beim Sprechenlernen kompetent und spielerisch begleiten kannst.

Viel Spaß beim Lesen! 🤩

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