Tipps zum Vorlesen

Du hörst immer wieder, wie wichtig Vorlesen für die Sprachentwicklung ist – aber dein Kind ist von Büchern gar nicht begeistert? 

Es stimmt: Das Vorlesen von Büchern ist eines der besten Wege, um die Sprache zu fördern. Selbst auf das spätere Lesen- und Schreibenlernen hat es Einfluss, ob ich meinem Kind im Kleinkindalter täglich vorgelesen habe.

Puh, aber wie? 

In diesem Artikel habe ich 7 Tipps für dich, wie du das Interesse deines Kindes an Büchern wecken kannst. Die Tipps sind für unterschiedliche Altersstufen – suche dir einfach das heraus, was für dich und dein Kind passt. Falls du schon ein Schulkind zu Hause hast, das nicht gerne selbst liest, kann ich dir diesen Blogartikel der LRS-Therapeutin Ilka Kind empfehlen.

Du hast ein Baby, das Bücher „zum Fressen gern hat“? Dann lies gerne diesen Artikel von mir: Babys und Bücher: Warum Babys lieber ins Buch beißen statt zuzuhören.

 

1. Tipp: Beim Lesen an Gefühle und Erlebnisse des Kindes anknüpfen

Viele Bücher haben sehr lange Texte. Die Aufmerksamkeitsspanne von Kleinkindern ist jedoch oft noch kurz.

Was kannst du tun, wenn du merkst, dass die Aufmerksamkeit deines Kindes nachlässt?

Mache immer wieder Pausen und stelle deinem Kind spannende Fragen, die Bezug zur Geschichte haben. So kann dein Kind an eigene Erlebnisse und Gefühle anknüpfen und die Konzentration hält länger.

Mein Kind findet Vorlesen doof! Tipp 3
An eigene Gefühle und Erlebnisse anknüpfen: So steigt dein Kind noch tiefer in die Geschichte ein.

2. Tipp: Nicht vorlesen, sondern über die Bilder sprechen

Vor allem jüngere Kinder im Kleinkindalter lassen sich von einem Buch viel mehr fesseln, wenn ihr gemeinsam über die Bilder sprecht, statt den Text zu lesen. Warum eigentlich?

  • Texte sind in Schriftsprache verfasst – und deshalb für Kinder schwerer verständlich.
  • Das Kind kann die Führung übernehmen und dir Dinge im Bilderbuch zeigen, die es selbst spannend findet.
  • Die Aufmerksamkeitsspanne ist im Gespräch viel länger als beim bloßen Zuhören.

Achte darauf, dein Kind nicht direkt zu korrigieren, sondern die Wörter und Sätze deines Kindes in einem Satz von dir zu wiederholen. Diese Technik nennt sich korrektives Feedback und hilft deinem Kind zu lernen, ohne dass es Scham empfindet oder sich korrigiert fühlt.

mit babys bücher anschauen
Es ist toll, wenn ein Kind sich am Gespräch über das Buch beteiligt: Das zeigt, dass es mit höchster Konzentration mitten in der Geschichte steckt! Mit korrektivem Feedback bremst du dein Kind nicht aus.

3. Tipp: Stelle offene Fragen statt Wissen abzufragen

Beim gemeinsamen Bücher anschauen  mit Babys und Kleinkindern rutschen viele Erwachsene in einen Abfragemodus: Das Kind wird überschüttet mit „Was ist das“-Fragen. Die Erwachsenen meinen es gut – der Gedanke dahinter ist oft, dass sie dem Kind auf diese Weise neue Wörter beibringen. Kein Problem, wenn das Kind sprachkompetent ist und sein Wissen präsentieren will.

Aber für Kinder, die noch wenig sprechen, ist dieses Wissensquiz überhaupt nicht sinnvoll.

Denn bevor Wörter selbst gesprochen werden können, müssen sie sicher im Langzeitgedächtnis abgespeichert worden sein. Das geht nicht durchs Abfragen (denn dabei wird das neue Wort ja nicht gehört).

Wie ist es besser? 

  • Stelle gemeinsame Aufmerksamkeit her: Zeige zum Beispiel auf etwas im Buch und beobachte, ob dein Kind interessiert hinschaut.
  • Ja? Dein Kind ist nun offen für Sprachinput: Erzähle in einfachen Sätzen etwas über das, was ihr seht. So hört dein Kind dieses neue Wort mehrmals und kann es gut speichern.
  • Wenn dein Kind schon mehr sprechen kann: Stelle offene Fragen (das sind Fragen, bei denen es nicht nur Ja/Nein-Antworten gibt). So kommt ein Gespräch mit mehreren Sprecherwechseln zustande (und dies gilt laut aktueller Studien als besonders sprachfördernd).
kein Wissensquiz
Lieber keinen Wissenstest veranstalten! Erzähle besser etwas über die Dinge, die dein Kind interessieren. So lernt es optimal neue Wörter.

4. Tipp: Mit deiner Stimme für Spannung sorgen

  • Schlüpfe in die Rollen der Geschichte und verändere die Stimme, wenn jemand spricht.
  • Verändere deine Stimme, wenn es spannend wird.
  • Extratipp: Vertone Geräusche im Buch! Beispiel: „Die Tür knirscht.“ Versuche, ein Türknirschen zu imitieren – das sorgt für hohe Begeisterung auch noch bei älteren Kindern!

5. Tipp: Dein Kind entscheiden lassen, was ihr lest

Als Grundschulkind habe ich die Bücher aus der Bücherei in Waschkörben nach Hause getragen. Lesen war mein allergrößtes Hobby! Was war in diesen Waschkörben drin? Hanni und Nanni, Nesthäckchen, Kalle Blomquist, die fünf Freunde, Süderhof und TKKG! 

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich einmal einen ganzen Stapel TKKG-Bücher auf den Tresen der Bücherei gelegt habe, dass die Bibliothekarin zu mir sagte: „Willst du nicht mal etwas anderes ausleihen?“

Ich war verunsichert. Was das nicht gut, was ich da ausleihen wollte? „Musste“ ich andere Bücher lesen?

Ich finde: Kinder dürfen ihre eigenen Heldengeschichten haben! Und wenn die Begeisterung für Bücher erstmal geweckt ist, überträgt sie sich bestimmt auch auf weitere Geschichten. 

Hat dein Kind einen Lieblingshelden? Dann gibt es vielleicht auch Vorlesebücher dazu. Oder ihr erfindet eure eigene Gute-Nacht-Geschichte mit dem Helden deines Kindes. Wie das geht, erfährst du in diesem Blogartikel.

Lass dein Kind selbst entscheiden, was es gerne liest
Kinder haben ihre eigenen Helden.

6. Tipp: Kuschelatmosphäre schaffen

Vorlesen bedeutet für viele Menschen: Geborgenheit tanken! Zur Ruhe kommen. Ganz nah bei den Lieblingsmenschen sein. Habt ihr schon eine gemütliche Leseecke?

Kinder finden es auch toll, an ungewöhnlichen Orten zu Lesen. Bestimmt habt ihr gemeinsam lustige Ideen!

Kuschelatmosphäre beim Vorlesen

7. Tipp: Das Sprachverständnis berücksichtigen

Kleinkinder verstehen gelesene Texte oft nicht, da ihnen das Sprachverständnis noch fehlt. Aber auch Kinder mit einer Sprachentwicklungsstörung haben manchmal (unerkannte) Probleme im Sprachverständnis.

Im Alltag ist das oft nicht zu merken. Aber beim Vorlesen! Kinder mit Sprachverständnisproblemen werden oft unruhig beim Vorlesen, stehen mitten im Text auf oder wollen ständig weiterblättern. Wenn du das merkst: Versuche Tipp Nr. 2!

Wenn du den Verdacht hast, dass dies bei deinem Kind passen könnte: In der logopädischen Therapie wird auch das Sprachverständnis behandelt. Sprich am besten mit deiner Kinderärztin/Kinderarzt darüber.

Das waren meine 7 Tipps für dich, wie du bei deinem Kind die Begeisterung für Bücher wecken kannst. Ich bin gespannt, welche Erfahrungen du mit diesen Vorlesetipps machst. Schreibe mir gerne deine Ideen in die Kommentare, wie ihr die Vorlesezeit gestaltet.

Übrigens: Die Bilder stammen aus dem wunderschönen Buch „Zottel macht Urlaub“ von Claudia Burger. Vielen Dank für die Bereitstellung dieses Buches, Claudia! 

2 Kommentare zu „Mein Kind findet Vorlesen doof: 7 Tipps, wie du dein Kind für Bücher begeistern kannst“

    1. Liebe Claudia, vielen Dank, dass ich Dein Buch für diesen Blogartikel nutzen durfte.
      Deine Zottelbücher gehören zu unseren Lieblingsbüchern! So ein sympathisches Monster (obwohl er Spielzeug klaut)…

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Wiebke Schomaker Logopädin

Hallo, hier schreibt Wiebke!

Als Logopädin zeige ich Eltern, wie sie die Sprachentwicklung ihres Kindes spielerisch und kompetent unterstützen können.

Auf meinem Blog findest du logopädisches Fachwissen in verständlicher Sprache, motivierende Spielideen zur Sprachförderung und auch ein paar persönliche Artikel.

Viel Spaß beim Lesen! 🤩

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Hallo, ich bin Wiebke!

Als Logopädin bin ich Expertin für Sprachentwicklung.

Ich weiß genau, wie frustrierend es für alle sein kann, wenn ein Kind sich mitteilen möchte, aber nicht weiß, wie. Oder wenn ein Kind begeistert erzählt, aber keiner versteht, was es sagt.

Bei mir erfährst du, wie du dein Kind beim Sprechen lernen liebevoll begleiten und spielerisch stärken kannst.

Damit dein Kind aufblüht und sich wirklich verstanden fühlt. 

Wiebke Schomaker

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